Anfang Mai, genau zum Hafengeburtstag, kam Afaf Ahmed in Hamburg an. Zehn Jahre ist das jetzt her. „Aber ich werde diesen Tag und die schwierige Zeit danach nie vergessen“, sagt die heute 43-Jährige.
Ohne Deutschkenntnisse traute sie sich anfangs kaum vor die Tür. Sie war viel allein, weil ihr Mann zur Arbeit ging: „Eine schlimme Erfahrung. Ich habe mich völlig orientierungs- und hilflos gefühlt“, berichtet die Mutter einer 9-jährigen Tochter und eines 6-jährigen Sohnes.
Um anderen Migranten diesen leidvollen Start zu ersparen, besucht sie seit 2014 als sogenannte „Stadtteilmutter“ arabisch-sprechende Familien in Altona. Sie erklärt den Neuankömmlingen die Grundzüge des deutschen Verwaltungs-, Erziehungs- und Gesundheitssystems. Sie begleitet Frauen und Kinder bei Behördengängen und Arztterminen und hilft bei Kita- und Schulanmeldungen.
Außerdem motiviert sie die Mütter, sich für Deutschkurse anzumelden und klärt mit ihnen allgemeine Fragen zu Babypflege, gewaltfreier Kindererziehung, gesunder Ernährung oder Medienkonsum.
Dank und Anerkennung als Lohn
Für die zehn Besuche pro Familie, auf die das Hilfsangebot angelegt ist, erhält jede Stadtteilmutter eine kleine Aufwandsentschädigung. Ansonsten arbeiten alle ehrenamtlich.
Ihr Lohn sind Anerkennung und Dank. Und davon gibt es reichlich: „Du hast mein Leben gerettet.“ „Endlich kommt jemand und hilft mir.“ „Ich bin so erleichtert, dass du jetzt an meiner Seite bist“ – solche Sätze hört Afaf Ahmed häufig und deshalb sagt sie glücklich: „Ich bin stolz auf das, was ich bewegen kann.“
Von Frauen, die isoliert leben und Unterstützung gebrauchen können, erfährt die Stadtteilmutter meist über Landsleute und Nachbarn. Manchmal spricht sie – wie neulich geschehen – auch einfach eine weinende Frau auf der Straße an und bietet ihr Hilfe an.
Für ein sechsjähriges Mädchen, das kürzlich mit einer Verbrennung am Arm aus Syrien kam, organisierte sie auf die Schnelle eine Operation. „Alles ist gut verlaufen und verheilt und die Familie nun überfroh“, sagt sie.
Auch in Flüchtlingsunterkünften war die Stadtteilmutter schon im Einsatz. Was sie gleich auf die Idee brachte, in der Schule ihres Sohnes Fadi eine Kleiderkammer einzurichten.
Bessere Entwicklungschancen für alle
Das Diakonie-Projekt Stadtteilmütter besteht in Altona seit 2011. Insgesamt haben bisher 44 Frauen die sechsmonatige Schulung abgeschlossen. „Mit unserem Besuchsangebot erreichen wir nun rund 100 Familien pro Jahr “, sagt Projektleiterin Ninja Foik.
Ziel war damals wie heute, Migrantenfrauen zu mehr Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein zu verhelfen sowie die Bildungs- und Entwicklungschancen ihrer Kinder zu verbessern.
Die Integrationshilfe von Frau zu Frau möchte außerdem die beruflichen Chancen der Frauen steigern. Das Altonaer Projekt verbindet Austausch mit Qualifikation: In einem ElternLaden mit Café und Secondhand-Laden in der Königsstraße können Migranten-Frauen sich austauschen und günstig einkaufen. Gleichzeitig engagieren sich hier Frauen ehrenamtlich, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern.
Sie qualifizieren sich für einen Beruf
2015 wurde im Rahmen des Programms „Stark im Beruf – Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“ zudem das ESF-Projekt „Stadtteilmütter + Beruf“ installiert. Einige Frauen haben sich seither mit individueller Unterstützung auf den Weg gemacht.
Auch Afaf Ahmed hat alle Qualifizierungsmöglichkeiten der Diakonie beherzt ergriffen und träumt von einer festen Stelle. Das Team drückt ihr dafür die Daumen: „Sie ist eine unser engagiertesten Frauen“, betont Projektkoordinatorin Devrim Duman.
Bislang hat die Ägypterin auf Bewerbungen jedoch nur Absagen bekommen. Aufgeben wird sie aber nicht: „Solange ich Kraft und Zeit habe, werde ich Menschen helfen. Das muss ich tun und das liebe ich."