Schweigemeditation "Hören, was die Welt im Innersten zusammenhält"

Frage: Warum verstehen Menschen die religiöse Sprache nicht mehr?

 

Gundula Döring: Es ist wie mit jeder Sprache. Eine Sprache, die man nicht spricht, verlernt man.

 

Was heißt das?

 

Es ist zum Beispiel nicht mehr präsent, wie man einen Zugang zu Gott und sich selbst erschließt. Der Weg dorthin wird nicht mehr vermittelt.

 

Was bedeutet die Stille für Sie?

 

Das „Sitzen in der Stille“ ist eine Form der Meditation, die gegenstandslos ist: ohne jede Vorgabe. Auf die Stille zu hören – auf die Stille hinter der Stille zu hören, heißt: auf das zu hören, was wir nicht machen können, nicht denken können, aber was die Welt im Innersten zusammenhält.

 

Welches Gottesbild haben Sie?

 

In der Bibel heißt es ja „Du sollst dir kein Bildnis machen!“ Manchmal sind Bilder hilfreich, aber letztlich sind sie wie „der Finger, der auf den Mond zeigt“, aber nicht der Mond selbst.

 

Auf welche christlichen Traditionen wollen Sie zurückgreifen?

 

Da ist in erster Linie die biblische Tradition zu nennen. Aber ebenso kann der Weg in die Stille von Impulsen aus der christlichen Mystik oder von Worten von Sören Kierkegaard oder Dag Hammarskjöld unterstützt werden. (1 - Text siehe unten)


Warum verbinden Sie den christlichen Weg mit Schulen anderer religiöser Traditionen wie Zen, Sufismus und der jüdischen Mystik?

 

All diesen Traditionen geht es um den „Mond“, um die EINE Wirklichkeit. Ich möchte mich in Frage stellen, überraschen und bereichern lassen durch die Sicht anderer.

 

In der protestantischen Kirche sind die praktischen kontemplativen Übungen nicht überall gerne gesehen. Wie gehen Sie damit um?

 

Das finde ich schade. Ich möchte dazu beitragen, dass solche Übungswege auch in der protestantischen Kirche wieder lebendig werden.

 

 

(1) Dieser Text von Kierkegaard kann so etwas wie ein Impuls aus der Tradition sein, der den Weg in die Stille unterstützt, sagt Gundula Döring.


Wenn das Meer

all seine Kräfte

anstrengt,

so kann es

das Bild des Himmels

gerade nicht spiegeln;

auch nur die mindeste Bewegung,

so spiegelt es den Himmel nicht rein;

doch wenn es

still wird und tief

senkt sich das Bild des Himmels

in sein Nichts.


(Sören Kierkegaard)