In dem Gefängnis auf einer Elbinsel vor den Toren Hamburgs verbüßen junge Männer zwischen 14 und 23 ihre Strafe. Die Delikte: Einbruch, Raub oder Totschlag. "Es ist eine herausfordernde Arbeit", sagt der Theologe, der sich wie alle Gefängnispastoren auf die Pfeiler Seelsorge und Gottesdienst stützt. Doch bei Speck gibt es eine entscheidende Ausnahme: Mit evangelischen Gottesdiensten kommt er auf Hahnöfersand nicht weit, denn "getaufte Christen sind die absolute Ausnahme."
Also kam der Pastor auf die Idee, den "Himmlischen Treff" einzuführen: Regelmäßig versammelt er die Insassen in ihren Wohngruppen zu Gesprächsrunden. Dann wird eine Stunde lang diskutiert über ein Thema, das Speck festlegt. Über Drogen haben sie schon debattiert und über das "Männerbild Macho". Aber auch aktuelle Themen stehen auf der Liste, etwa die Flüchtlingsproblematik oder der Terror des IS.
Ein Häftling liest eine Sure aus dem Koran
Viel Wert legt der Theologe auf den Beginn des "Himmlischen Treffs". Erst singt Speck "Du Gott des Friedens" - auf Arabisch und auf Deutsch. Außerdem zitiert er eine Stelle aus der Bibel. Eine inhaltlich ähnliche Sure trägt dann ein Häftling aus dem Koran vor.
Mit den "Himmlischen Treffs" trifft Speck offenbar den Nerv der Insassen. Über 90 Prozent würden regelmäßig teilnehmen - und das freiwillig. "Das zeigt, dass sie durchaus religiös interessiert sind."
Weihnachten ist auch für die muslimischen Gefangenen eine besondere Zeit. So ist Pastor Speck Heiligabend ins Gefängnis gegangen und hat für jede Wohngruppe mit ihren 15 Insassen eine Andacht gehalten. Im Gepäck hatte er für jeden Gefangenen ein kleines Geschenk.
Neben den Diskussionen in der Gruppe führt Seelsorger Speck viele Einzelgespräche. Manche würden ihn gleich beim ersten Treffen fragen, ob sie wegen ihrer Taten in die Hölle kommen. Dann beruhigt er und macht zugleich deutlich, dass das Verhalten Einfluss auf das Leben und Sterben hat. "Noch nie habe ich so intensive, erfüllende Seelsorge-Gespräche geführt", sagt er. "Jeder Mensch hat einen göttlichen Kern."
Sein Wunsch: Mehr Hilfe für Entlassene
Angst vor Übergriffen hat er nicht. Zu groß sei die Ehrfurcht der Häftlinge vor der Religion. Er werde als väterliches Gegenüber gesehen. Doch unterschätzen dürfe man die Gefahr im Knast nicht, warnt Speck. Zu kämpfen hätten damit vor allem die Angestellten des Gefängnisses, für die der Geistliche ebenfalls zuständig ist. Sie müssten Beschimpfungen ertragen und sich manchmal auch gegen Übergriffe wehren.
Zurückhaltend reagiert Speck, wenn er nach Prognosen für Häftlinge gefragt wird. "Da bin ich sehr bescheiden", gibt er zu. Wenn sie entlassen werden, kehrten sie meistens in ihren alten Stadtteil zurück - und hätten dort wieder mit ihren alten Problemen zu kämpfen. Deshalb wünscht sich Speck mehr Hilfe für Ex-Häftlinge, etwa bei der Suche nach einem Job oder beim Abschluss der Schule.