Libyen-Flüchtlinge in Hamburg Hilfe für Flüchtlinge verändert St. Paulikirche

Das fängt schon beim Gebäude an – die Kirchenbänke sind für die Übernachtungsgäste ausgeräumt. Fünf Deutschlehrerinnen unterrichten die Flüchtlinge, die hier respektvoll Gäste genannt werden. Künstler starten gemeinsame Malprojekte mit den Männern. Es gibt eine Kochgruppe. „Wir suchen noch Freiwillige, die Fahrräder spenden oder sie gemeinsam mit den Afrikanern reparieren“, sagt Pastor Wilm. Auch Geldspenden sind willkommen, denn die Kosten sind immens.

 

Kirche als neuer Schutzraum

„Unsere Kirche ist ein Schutzraum geworden, so wie sie es früher in Notzeiten schon einmal war“, sagt er. Und sie sei eine „Kirche der Ehrenamtlichen“ geworden – mehr als 40 Menschen engagieren sich hier für die Flüchtlinge. Das sind Studenten, Fans vom Fußball-Club St. Pauli, Anwohner, Ärzte, Gastronomen aus der Nachbarschaft, Menschen aus der Antifa und viele mehr. „Wir spüren, wer unsere Freunde sind und es gibt einen neuen Zusammenhalt im Stadtteil!“ Vorurteile können so überwunden werden, neue Kontakte zwischen den unterschiedlichsten Gruppen entstehen. Und natürlich verändert das auch die Kirche. Das Thema Flüchtlinge wird ein zentrales Thema der Kiezkirche bleiben – unabhängig von der Lösung, die für die Libyen-Flüchtlinge gefunden wird, unterstreicht der Geistliche.

 

Gerade ist in der Kirche eine neue Ausstellung fertig geworden. Die Flüchtlinge haben unter Anleitung ihre Flucht aus Libyen über Italien nach Hamburg dokumentiert. Sie versuchen in einer Wahrheitskommission ihre Odysee aufzuarbeiten. Ein Teil der Menschen in der St. Paulikirche ist traumatisiert, sagt der Soziologe Martin Dolzer, der ehrenamtlich die Flüchtlinge mitbetreut.


Die O-Töne der Betroffenen sind teilweise erschütternd: „...in vielen Stadtteilen durchsuchten die Milizen der Rebellen die Häuser (in Libyen) und folterten/oder töteten sämtliche Schwarzafrikaner. Es kam zu Massakern und Hinrichtungen auf den Markplätzen... Oftmals werden Freunde oder Verwandte vor unseren Augen misshandelt oder getötet. Jeder hatte Angst. (Die Grenzen waren geschlossen.) Die einzige Möglichkeit zu überleben, war das Mittelmeer in Richtung Europa zu überqueren. Einige gingen freiwillig. (...) Viele wurden von Soldaten oder Milizen in viel zu kleine Boote gezwungen. (...)“ – Bei der Überquerung im Jahr 2011 ertranken viele Tausend Menschen vor den Mittelmeerküsten – das wissen wir heute, sagt Dolzer.

 

Zwischen den Fronten

Diese Flüchtlinge, das sind Tischler, Ingenieure oder Schweißer – sie waren Gastarbeiter in Libyen. Sie hatten ihr Auskommen als Selbstständige oder als Arbeitnehmer in italienischen oder deutschen Firmen. Im Krieg gerieten sie im Jahr 2011 zwischen die Fronten, zwischen Rebellen und Gaddafi-Milizen. Die Milizen setzten sie in winzige Boote für die Fahrt über das Mittelmeer. In Italien lebten sie monatelang in teilweise geschlossenen Auffanglagern. Dann schickte man sie mit etwas Geld nach Hamburg, wo sie seitdem auf der Straße leben. Seit 7 Wochen hat nun ein Teil von Ihnen in der evangelischen St. Paulikirche ein Dach über den Kopf gefunden - mit Frühstück und Abendessen.

 

Wie es weiter geht mit den Flüchtlingen, ist noch offen. Die Stadt Hamburg hat bereits gesagt, dass es kein Bleiberecht für alle 300 Flüchtlinge geben wird. Jetzt konzentriert sich die Kirche auf eine Einzelfall-Beratung und die humanitäre Versorgung. Solange versucht die Kirche die Flüchtlinge zu unterstützen, weil sich niemand auf der Landes- und Staatsebene für diese Menschen zuständig fühlt. Die einzelnen Helfer auf dem Kiez sind da pragmatischer als die Stadt. Zum Beispiel Mirjam ist Ethnologie-Studentin, sie kommt regelmäßig in die St. Paulikirche, um mit den Flüchtlingen zu sprechen und ihnen zu sagen, dass sie willkommen sind. Auch Georgie, die gerade im Fach Kriminologie promoviert, möchte hier mit ihrer Unterstützung ein Zeichen der Solidarität setzen. Ein Stadtteil packt an und vernetzt sich neu. Aufbruchstimmung.

 

Übrigens jeden Montag um 18 Uhr treffen sich Freiwillige und Ehrenamtler in der St. Paulikirche. Pinnasberg 80, S Reeperbahn

 

Geldspenden

Geldspenden bitte auf das Spendenkonto mit dem Vermerk „Afrikaner“.

Wer eine Spendenquittung braucht, gibt bitte seine Adresse an.

St. Pauli Kirche - Spendenkonto: 1206 123 331 - Haspa BLZ 200 505 50

 

Infos zur Unterstützung

Constanze Funck ist die Koordinatorin des Projektes der Hilfe für die Flüchtlinge namens „Lampedusa in Hamburg“.

Sie hat den besten Überblick, was noch gebraucht wird an Unterstützung. Constanze.Funck@oemf.nordkirche.de, Tel: 01512 - 8240914

 

Die afrikanischen Gäste freuen sich auf Besuch. Die "Embassy of Hope" ist das Zelt der Begegnung, ein Ort der Begegnung tagsüber.