Der Hörsaal platzte aus allen Nähten. Fast 900 Jungen und Mädchen im Alter zwischen neun und zwölf Jahren drängten sich in die Sitzreihen. Kinder-Uni in Hamburg.
Diplom-Psychologin Nina Krüger fragt: "Wer von Euch hat heute schon gelogen?". Zaghaft gehen Kinderarme in die Höhe. Nur bei den Eltern in den letzten Reihen regt sich keine Hand: Die Erwachsenen fühlen sich sicherheitshalber nicht angesprochen.
Lügen zerrütten
Zu lügen gilt als verwerflich: "Lügen haben kurze Beine", warnt ein Sprichwort. Will sagen: Wer nicht die Wahrheit sagt, trägt über kurz oder lang den Schaden davon. Es sei denn, man nutzt Lügen zu Propagandazwecken, siehe USA.
Lügen verzerren die Realität. Sie behaupten etwas, das nicht war oder ist. Im menschlichen Miteinander zerstören sie Vertrauen und gefährden Beziehungen.
Vor ihren zerrüttenden Wirkungen warnt schon die Bibel: "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten", heißt es im achten Gebot, das allgemein als "Lügenverbot" interpretiert wird.
Schwarz und weiß
Doch wo fängt Schwindeln an und wo hört Lügen auf? Nina Krüger weiß: „Kleine Lügen gehören zum Alltag“. Jeder sagt durchschnittlich zweimal am Tag die Unwahrheit, wie Forscherteam aus Deutschland, Belgien, den USA und den Niederlanden herausfand.
Kleine Lügen haben durchaus ihren Sinn. Wer flunkert, kann nicht nur Streit und Konflikt vermeiden, sondern auch zu einem guten Zusammenleben beitragen und brenzlige Situationen entschärfen.
Die Wissenschaft unterscheidet daher „weiße“ und „schwarze“ Lügen: Unwahrheiten mit positiven Folgen für einen Anderen und solche, die nur dem eigenen Vorteil dienen.
Was für Erwachsene
Die Fähigkeit zu lügen, erfordert ein komplexes Verhalten. Wer auf etwas antwortet, denkt erst an die Wahrheit. Um zu lügen, muss er diese verschweigen und eine glaubhafte Alternative entwickeln. Kinder und Hochbetagte sind dazu weniger in der Lage als Erwachsene, wie die Studie "Vom Junior- zum Senior-Pinocchio" der Uni Würzburg zeigt.
Zugeben möchten Erwachsene allerdings nur, wenn sie aus ehrenwerten Gründen der Wahrheit nicht ganz treu blieben. Zum Beispiel, weil sie ihr Gegenüber aufmuntern oder es trösten wollen, das legt eine Umfrage des Instituts „MyMarktforschung“ von 2016 nahe.
In der Kinder-Uni gab Nina Krüger den Eltern am Ende noch eine zweite Chance. Sie fragte erneut, ob sie heute schon gelogen hätten. Und einige bekannten sich zu einer „Notlüge“. „Ertappt“ – dachten sich die Kinder, sie lachten und klatschten.