Die Menschen im Mittelalter lebten viel intensiver. Und sie setzten sich auch viel stärker mit Tod und Leiden auseinander als die Menschen heute, sagt Hauptpastor Röder. Der Tod gehörte zum Leben damals und und das Leiden wurde als von Gott gegeben verstanden. Die Welt des Mittelalters war aber auch kleiner und es gab längst nicht soviel Ablenkung wie heute.
Vielleicht ist diese christliche Bilderwelt den Menschen auch nicht mehr so präsent, weil der Große Brand 1842 in Hamburg viele Heiligenfiguren zerstört hatte. Davor standen auch in der Hansestadt Christopherus-Figuren und andere christliche Skulpturen auf der Straße. Und in der Kirche St. Jacobi seien bestimmt mehr als 50 Marienfiguren zu zählen, sagt Röder.
In der Ausstellung sind mit die kostbarsten Malereien und Skulpturen des Mittelalters versammelt. Etwa das zentrale Passionsbild von 1480. Das Bild mit dem goldenen Hintergrund sei "einer der Höhepunkte spätgotischer Malerei", ergänzt der Kurator Michael Philipp. Im zentralen Oktagon stehen sich zwei Kruzifixe gegenüber. Das aus dem 12. Jahrhundert zeigt Jesus als König, der am Kreuz gar nicht zu leiden scheint, sondern den Tod schon überwunden hat. Während gegenüber der gekreuzigte Jesus aus dem 14. Jahrhundert gemartert und leidend dargestellt wurde. Die Christusfrömmigkeit betonte ab dem 13. Jahrhundert die Schmerzen Jesu und forderte auf, die Qualen Christi nachzuerleben. In der mittelalterlichen Mystik Heinrich Seuses findet sich dieser Wunsch wieder, sich mit dem Schmerzensmann Jesu zu identifizieren und ihm nachzufolgen.
Überall in der Ausstellung sind Auffassungen aus der jeweiligen Epoche oder der Volksfrömmigkeit wiederzufinden, man muss sie nur zu deuten wissen. Ein Relief (um 1500) zeigt den Tod Mariens - der ist in den vier überlieferten Evangelien nicht beschrieben. Die Legende war damals bekannt - sie wurde in den apokryphen (griech. = verborgenen) Evangelien überliefert, also Schriften, die nicht von der Kirche anerkannt waren, sagt Röder.
Im oberen Geschoss im Bucerius Kunst Forum hängen riesige Glasmalereien von Hans Baldung Grien aus den Jahren 1517 bis 1520. Besonders faszinierend ist ein Altarfragment aus der Ulmer Werkstatt (um 1496/99) unter der Beteiligung von Martin Schaffner. Es zeigt das Jüngste Gericht. Das Motiv zählte im Mittelalter zu den beliebtesten Darstellungen. Man fürchtete, dass der Jüngste Tag als konkretes Ereignis unmittelbar bevorstehe. Und entsprechend fühlten sich viele Menschen, dass sie zwischen Himmel und Hölle stehen.
Mechthild Klein
Weitere theologische Führungen durch die Ausstellung
mit Hauptpastor Alexander Röder
5. und 19. Dezember 2009
2. Januar 2010
jeweils von 12.00 bis 13.00 Uhr
Kosten: 2 Euro auf den Eintrittspreis
Bucerius Kunst Forum
Rahthausmarkt 2
20095 Hamburg
Tel. 040 - 360 996 0
Öffnungszeiten:
Mo-So 11.00 - 19.00 Uhr
Do 11.00 - 21.00 Uhr
Erw. 7,-/5,-
Ki unter 18 J. frei