Interview „Gott ist so viel mehr als rein männlich oder rein weiblich“

LuK Fahne beim CSD 2023 in Hamburg

Seit 30 Jahren setzen sich Lesben in der evangelischen Kirche in Norddeutschland gegen homofeindliche Strukturen ein. Teil der Geburtstagsfeier von „Lesben und Kirche Hamburg“ (LuK) in der Familienbildungsstätte Eppendorf ist eine Podiumsdiskussion mit Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne).

Viel Geduld und Leidensfähigkeit hätten die drei Jahrzehnte geprägt, sagt LuK-Sprecherin Jessica Diedrich. Mittlerweile sei vieles erreicht worden, so gebe es heute lesbische Pastorinnen und die gleichgeschlechtliche Trauung. Dennoch gelte es auch in der Kirche, rechtsradikalem gesellschaftlichem Druck standzuhalten. Mehr dazu im Interview.

Jessica Diedrich - Copyright: LuK
Jessica Diedrich

Erst einmal Herzlichen Glückwunsch zum dreißigjährigen Bestehen! Zum Geburtstag wird es eine Podiumsdiskussion unter anderem mit Katharina Fegebank geben. Was wird das Thema sein? 
Jessica Diedrich: Vielen Dank!
Wir feiern unser Jubiläum am Tag der lesbischen Sichtbarkeit. Darum soll es auch in der Podiumsdiskussion gehen: Die lesbische Sichtbarkeit in den verschiedenen Bereichen der Teilnehmerinnen, also Politik, Kirche, LSBTIQ*-Zusammenhängen und für Geflüchtete. Und dies tun wir im Blick auf die letzten 30 Jahre, die heutige Situation und die Zukunft.

Was waren Beweggründe für die Gründung von Lesben und Kirche Hamburg vor 30 Jahren?
Wir wollten dazu beitragen, lesbische (und schwule) Lebensformen in Kirche sichtbar und offen lebbar zu machen. Damals war Homosexualität ein Amtshindernis für Pastor*innen, Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare im Pfarrhaus war nicht erlaubt und Segnungen oder gar Trauungen waren undenkbar.

Von den schwierigen Anfängen bis zum CSD-Truck

Was sind die Meilensteine im 30-jährigen Bestehen von LuK gewesen?
Das waren die Schuldanerkenntnis der Nordelbischen Kirche (Anm. d Red.: heute Nordkirche) gegenüber Lesben und Schwulen. Dass Segnungen und das Zusammenleben im Pfarrhaus ermöglicht wurden. Hinzu kam in den letzten Jahren, dass Segnungen 2016 als Amtshandlungen anerkannt wurden und in Kirchenbücher eingetragen werden. 2019 wurde dann endlich beschlossen, Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare auch „Trauung“ zu nennen. 
Mittlerweile hat die Nordkirche einen Truck auf dem CSD und hat mit Lesben und Schwulen einen komplett anderen Umgang als früher. 

Sie sagen, dass auch viel Geduld und Leidensfähigkeit die drei Jahrzehnte geprägt haben…
Die nordelbische Kirche (die 2012 mit Pommern und Mecklenburg zur Nordkirche fusionierte) hat sich über viele Jahre mit dem Thema Lebensformen sehr schwergetan, es gab große Differenzen, das war für alle Beteiligten ein mühevoller und schmerzhafter Prozess. Wir haben in den Jahren oft mit Ständen auf den Tagungen des Kirchenparlaments zum Gespräch bereitgestanden. Und es hat im Grunde von Anfang der 90er Jahre bis vor kurzem gedauert, manche Rechte zu erlangen.

 

LuK-Gottesdienst beim CSD 2022 in der Kirche St. Georg - Copyright: LuK
LuK-Gottesdienst beim CSD 2022 in der Kirche St. Georg

Workshop „Mit der Bibel gegen Homofeindlichkeit“

Was muss Ihrer Ansicht nach noch getan werden in Kirche?
Wir wünschen uns in den Gemeinden eine theologische Auseinandersetzung mit Homofeindlichkeit, die oft auf falscher Interpretation der Bibel basiert. Unser Workshop „Mit der Bibel gegen Homofeindlichkeit“ zum Beispiel gibt da neue Einblicke und hat auf den Kirchentagen regelmäßig größte Resonanz.
Es ist uns zudem ein Anliegen, Texte, Gottesanreden und Lieder für Gottesdienste sprachlich anzupassen, so dass sich auch Menschen angesprochen fühlen, die kein rein männliches Gottesbild haben.. Denn Gott ist so viel mehr als rein männlich oder rein weiblich.

Rechtsradikale Einstellungen in der Gesellschaft nehmen deutlich zu: Spüren auch Sie das? Wie? 
Übergriffe auf LSBTIQ*-Personen nehmen zu, auf Frauen ohnehin und lesbische Frauen umso mehr. Das ist eine Menschenfeindlichkeit, die sich leider in einer mangelnden Achtung anderer Menschen gründet. Das widerspricht unserem christlichen Hintergrund, der ja von Liebe und Achtung anderen gegenüber geprägt ist.
Ein großes Problem ist, dass Rechtsradikale zunehmend Positionen übernehmen, die kritische Menschen auch haben und so die Abgrenzung von rechtradikalen Positionen zunehmend an Schärfe verliert und kritische Sichtweisen erschwert werden.

Wie blicken Sie diesbezüglich in die Zukunft?
Mit Sorgen. Die aktuellen Demonstrationen gegen und die Kritik an rechtsradikalen Positionen und Parteien sind Hoffnungszeichen. 
Jedoch ist die aktuelle Tendenz groß, Menschen schnell in Schubladen zu stecken und offene Diskussionen dadurch zu ersticken.  Das sieht man an vielen Themen  der vergangenen Jahre. Das führt leider dazu, dass Menschen ihre Meinungen nicht mehr öffentlich sagen, insbesondere im Netz weniger sichtbar sind. Das betrifft auch Lesben, die sich weniger öffentlich zeigen, um Angriffe zu vermeiden.

Wunsch nach mehr mitwirkenden Lesben, auch jungen Frauen

 Und was wünschen Sie sich für die Zukunft von LuK?
Im Moment haben wir Kontakte zu mehreren jüngeren Lesben und wünschen uns, dass noch weitere, auch junge Frauen, dazu kommen. Wir können einander viel erzählen und viel voneinander lernen. Wir wünschen uns dass dieser generationenübergreifende Prozess weiter in Gang kommt. Und wir wünschen uns, dass die Rechte von LSBTIQ*-Menschen erhalten bleiben und nicht wieder beschnitten werden, was in anderen Ländern ja schon passiert ist. Ein weiterer Rechtsruck würde da auch in Deutschland einige Gefahren mit sich bringen.

Veranstaltung

30 Jahre „Lesben und Kirche Hamburg“

Familienbildungsstätte Eppendorf, Loogeplatz 14-16, 20249 Hamburg
Beginn um 19 Uhr 
Podiumsdiskussion mit Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), der Leiterin des Frauenwerks der Nordkirche, Meike Trommler-Müllauer, der Co-Vorsitzenden des Vereins Hamburg Pride, Nicole Schaening, und Alissa von Malachowski von den Refugee Sisters
Anmeldungen zur Veranstaltung sind erbeten unter hamburg@lesben-und-kirche.de