300.000 Besucher Gauck würdigt Hamburger Kirchentag

Mit vier Gottesdiensten wurde der Kirchentag eröffnet. "Lobe den Herren" schallte über die Reeperbahn vorbei an Bars und Bordellen. Der Rathausmarkt war erfüllt von Mendelssohn-Bartholdys Chormusik. Der zentrale Eröffnungsgottesdienst vor einer Kulisse von Elbfähren, der Hafen-City und der Baustelle der Elbphilharmonie musste wegen Überfüllung abgesperrt werden.

 

Auch Hamburg kennt Armut

Viele Menschen hungerten nach Brot und Anerkennung, sagte Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs in ihrer Predigt am Strandkai der Hafen-City. Doch nicht nur in Indien, Südamerika und Afrika lebten Menschen in Not. Auch in Hamburg gebe es Kinder, die noch nie die Elbe gesehen hätten. Fehrs: "Und das in einer Stadt mit einer Elbphilharmonie."

 

Bis Sonntag stehen mehr als 2.500 Veranstaltungen auf dem Programm. Geplant sind Bibelarbeiten, Gottesdienste, Podiumsdiskussionen und Popkonzerte. Als prominente Gäste werden auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erwartet. Insgesamt 116.000 Dauerteilnehmer haben sich angemeldet. Dazu kommen noch rund 40.000 Tagesgäste und etwa 5.500 ehrenamtliche Helfer.

 

Bischöfin diskutiert mit Gewerkschaftern

Erstmals in seiner Geschichte wurde der Kirchentag am 1. Mai eröffnet - dem Tag der Arbeit. Am Mittag hatten sich Kirchenvertreter und Gewerkschafter auf der Fischmarktbühne getroffen, um Einigkeit zu demonstrieren. Bischöfin Fehrs forderte Mindestlöhne, und Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG Bergbau, beklagte, dass Menschen von ihrer Arbeit nicht leben könnten. Strittige Themen wie Streikverbot und Diakonie-Outsourcing kamen nicht zur Sprache.

 

An ein dunkles Kapitel Hamburgs wurde am Nachmittag in der Hafen-City erinnert: Vom ehemaligen "Hannoverschen Bahnhof" wurden zwischen 1940 und 1945 mehr als 7.700 Juden, Sinti und Roma in die Konzentrationslager transportiert. Hamburger Polizeibataillone hätten vor allem in Polen als Teil der Wehrmacht Tausende Menschen ermordet, beklagte Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch. Es sei Wunsch der Polizei, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen.

 

Dank des sonnigen Himmels kamen auch die vielen Pilger zu Fuß oder auf Fahrrädern trocken in Hamburg an. Erstmals waren 32 Ruder-Pilger dabei, die vor elf Tagen in Dresden gestartet waren und eine Flagge vom Dresdner Kirchentag 2011 nach Hamburg brachten.

 

Mehr als 300.000 Besucher schlenderten am Abend durch die Innenstadt zwischen Alster und Elbe. Die Regionen der Nordkirche präsentierten ein ökologisches Abendbrot. Die Nordsee-Küste zum Beispiel präsentierte Dithmarscher Mehlbüdel, süße "Futjes" aus Dinkel und gegrillte Lammwürste. Bundespräsident Gauck labte sich an der Gulaschkanone der Militärseelsorge.

 

Der Abendsegen wurde mit Lichtspielen auf der Alster und an der Elbe begleitet. Rund 150.000 Kerzen hatten die Veranstalter für eine stimmungsvolle Hamburger Nacht bereit gehalten. Nach dem Abendsegen stand "Der Mond ist aufgegangen" als gemeinsames Lied auf dem Programmzettel. Der Mond ließ sich davon jedoch nicht beirren und ging erst nach Mitternacht auf.