Scholz erwähnte auch die Schattenseiten Luthers wie dessen antisemitische Äußerungen. Es sei eine große Leistung des Protestantismus, die Widersprüchlichkeit von Reformator und Reformation zu akzeptieren. "Dass Religion und Aufklärung kein Widerspruch sein müssen, das ist im Lutherjahr ein wichtiges Signal."
Die Reformation könne auch heute noch Impulse zur Veränderung geben, sagte die Bischöfin in ihrer Predigt. Luther habe überkommene Strukturen infrage gestellt. "Ein einzelner Mensch, der der Institution mit großer Distanz gegenüber steht - das ist ein ziemlich modernes Phänomen." So müssten Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Institutionen immer wieder um Akzeptanz werben.
"Menschen brauchen Institutionen, wenn nicht das Recht des Stärkeren herrschen soll", sagte Fehrs. Hier könne der Reformationstag künftig eine wichtige Rolle spielen. Es gehe dabei nicht um konfessionelle Abgrenzung, sondern um eine Besinnung auf gemeinsame Wurzeln und die notwendigen Veränderungen. Der Glaube verändere nicht deshalb die Welt, weil die Kirche etwas fordere, sondern weil verantwortungsbewusste Christenmenschen in Beruf und Politik dafür einstehen.
Blievt dicht bi de Minschen
Plattdeutsch-Autor Gerd Spiekermann wies in der Rolle als Hamburger Reformator Johannes Bugenhagen auf die Erfolge der Reformation hin. Dazu zählten Volksbildung durch Schulen, Armenfürsorge, ärztliche Versorgung und öffentliche Bibliotheken. Spiekermann ermahnte die Kirche: "Blievt dicht bi de Minschen. Snackt ehr Sprook." ("Bleibt dicht bei den Menschen. Redet ihre Sprache.")
Synoden-Präses Andreas Tietze dankte allen, die sich im Reformationsjahr für einen Dialog über politische, weltanschauliche und religiöse Grenzen hinweg eingesetzt haben. Wenn es gelungen sei, einzelne Menschen so anzusprechen, dass sie einen realistischen und mutigen Blick auf die Zukunft gewinnen, sei viel erreicht worden.