Was haben Sie Frau Merkel mitgegeben?
Wir haben ihr ein Kommuniqué zusammen mit einer Broschüre überreicht, die unsere Hauptforderungen enthält. Seit Februar haben wir mit etwa 300 NGOs weltweit daran gearbeitet.
Was fordern Sie von den Teilnehmenden des G20-Gipfels im Juli?
Unsere wichtigste Forderung ist, die Finanzmärkte zu regulieren. Hedgefonds etwa unterstehen anders als Banken nicht der Finanzaufsicht. Solche Schattenbanken, wie wir sie nennen, sind völlig intransparent. Deutschland würde in punkto Regulierung gerne weitergehen, aber die USA und einige Schwellenländer bremsen, weil sie Geld für Investitionen brauchen. Hier ist im Konsens nicht viel zu holen. Doch darauf ist die Bundesregierung im G20-Kontext angewiesen.
Wie sieht es bei den anderen Themen aus, etwa beim Klimaschutz, der Ernährungssicherheit und der gerechten Verteilung?
Die Bundesregierung hat diesmal Entwicklungsthemen, wie das Thema Gesundheit auf die Agenda gesetzt. Darüber hinaus bringt sie die Partnerschaft mit Afrika mit in den G20-Dialog. Das begrüßen wir sehr. Beim Klimaschutz hat Angela Merkel deutlich gemacht, dass der Rückzug der USA aus dem Abkommen von Paris auch für sie persönlich eine herbe Enttäuschung ist. Immerhin wollen einzelne Bundesstaaten und Städte in den USA die vereinbarten Klimaziele weiterverfolgen – ein Zeichen der Hoffnung. Auf unsere Forderung, das Thema Ernährungssicherheit und ländliche Entwicklung mit auf die Tagesordnung zu nehmen, haben die G20 positiv reagiert – doch die aktuelle Hungerkrise in Afrika ist beim Club der G20 noch nicht angekommen. Das bedauern wir sehr.
Die Civil20 befürchtet wachsende Ungleichheit bei der G20-Afrikainitiative.
Die geplante Förderung von Privatinvestitionen in Afrika soll vor allem in große Infrastrukturprojekte fließen. Im Vordergrund stehen die Unterstützung ausländischer Direktinvestitionen und die Ankurbelung von Wirtschaftswachstum. Zuwenig ist die Rede von der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen und von der Schaffung regionaler Märkte in Afrika. Die Zivilgesellschaft in Afrika will daher stärker in den Planungsprozess für Investitionen in ihren Ländern einbezogen werden.
Wie hat die Bundeskanzlerin auf die Forderungen der NGOs reagiert?
Es war ein sehr offenes, konstruktives Gespräch. Sie hat aber deutlich gemacht, dass ihre politische Aufgabe als Kanzlerin darin besteht, alle mitzunehmen – zum Beispiel auch die Menschen, die von Braunkohle-Jobs in der Lausitz leben.
Was erhoffen Sie sich vom G20-Gipfel?
Unser Ziel ist die Transformation des derzeitige Wirtschafts- und Finanzssystems, das große soziale Ungleichheit schafft. Es kann so nicht weitergehen. Unsere Konsum- und Produktionsmuster müssen grundlegend geändert werden – damit alle Menschen sicher, satt und gesund leben können. Um dies zu erreichen, brauchen wir einen langen Atem. Der Gipfel in Hamburg ist nur eine Wegmarke. Im nächsten Jahr treffen sich die G20 in Argentinien. Die Bundeskanzlerin hat uns versprochen, sich dafür einzusetzen, dass unsere Arbeitsgruppen auch dort weitergeführt werden können und wir gehört werden. Darüber hinaus diskutieren wir unsere Themen auch mit Regierungen der Nicht-G20 bei Vereinten Nationen.
Eva Hanfstängl ist Referentin für Entwicklungsfinanzierung und Finanzpolitik beim evangelischen Entwicklungsdienst Brot für die Welt in Berlin