Die Eindrücke aus Houston, Texas sind noch frisch. Ende Juni spielte Thomas Dahl, 52, in der Christ Church Cathedral beim Internationalen Wettbewerb für Orgelimprovisation vor und errang den 1. Preis der Jury. Auch das Publikum überzeugte er.
Die „American Guild of Organists“ gehört mit rund 17.000 Mitgliedern weltweit zu den größten Organisten-Vereinigungen. Der Wettbewerb wird alle zwei Jahre ausgetragen und ist dreistufig. In den beiden Vorrunden stellen die Teilnehmer ihr Können unter Beweis, sie improvisieren, interpretieren aber auch bekannte Werke.
Dahl gehörte zu den drei Organisten, die es in die Endausscheidung geschafft hatten. Besonders der Publikumspreis freut Dahl: „Anders als bei anderen Wettbewerben waren nicht nur Laien, sondern auch viele Profis und einige der berühmtesten Organisten der USA unter den Zuhörern.“
Welche Aufgaben mussten Sie in der Endrunde erfüllen?
Ich habe zu einer Cellosonate von Telemann improvisiert, von der ich nur die Bassstimme hatte. Wichtig war hier, den barocken Stil des Komponisten zu treffen. Eine weitere Aufgabe war, die Gemeinde bei einem mir unbekannten Lied zu begleiten. Dann bekam ich fünf Themen zur Auswahl, zu denen ich 20 Minuten lang improvisieren sollte – unter anderem in Form einer Fuge.
Was mögen Sie am Improvisieren?
Das Reizvolle daran ist, Musik im und für den Moment zu erschaffen. Die Herausforderung dabei: Sie muss eine Form finden, die für die Zuhörer schlüssig ist und sie berührt.
Wann kann man Sie das nächste Mal improvisieren hören?
In jeder Andacht, jedem Gottesdienst in St. Petri – also fast täglich. Ich improvisiere bei den Vorspielen, wenn ich Choräle und die Abendmahlsfeier begleite. Manchmal bitten mich auch die Pastoren um eine Improvisation nach der Predigt. Dann antworte ich musikalisch darauf, greife das Gesagte auf, spüre ihm nach. Im Idealfall verschmelzen im Gottesdienst Musik und Wort zu einer Einheit. Bei meinen Konzerten mache ich es häufig so, dass die Besucher sich Themen wünschen können, über die ich improvisiere.
An diesem Sonnabend ist St. Petri zum 25. Mal Gastgeber für die Nacht der Chöre. Sie sind seit 20 Jahren Kantor und Organist an der Hauptkirche. Was hat sich seit den Anfängen verändert?
Zu Beginn haben sich vor allem Kirchenchöre daran beteiligt. In den vergangenen Jahren sind viele freie Chöre hinzugekommen. Das Programm ist vielfältiger geworden – quer durch alle Altersstufen und Genres. Das macht es sehr lebendig.
Was ist Ihnen wichtiger – Orgelspielen oder Chöre zu leiten?
Als Kantor an St. Petri muss ich mich nicht entscheiden, zum Glück. Beim Orgelspielen bin ich mit dem Instrument alleine – als Dirigent mit anderen Mitwirkenden im Austausch. Im besten Fall schaffen wir gemeinsam etwas Größeres, das über die Summe der einzelnen Teile hinausgeht. Ohne äußere Not würde ich niemals eines von beiden aufgeben.
Nacht der Chöre
Zeit: Sonnabend, 9. Juli, 15 bis 24 Uhr
Ort: Hauptkirche St. Petri, Mönckebergstraße