Nach meinem Abitur war ich sechs Tage lang mit zwei Freundinnen auf dem Jakobsweg in Spanien unterwegs. Eine kurze Zeit für eine Pilgerreise – und doch eine Erfahrung, die ein Leben lang bleibt.
Mich hat vor allem das Abenteuer gereizt: loszulaufen, ohne genau zu wissen, was einen erwartet. Viele verschiedene Orte und Menschen kennen zu lernen.
Wir begannen unseren Weg in Sarria, einem kleinen Ort 120 Kilometer entfernt von Santiago de Compostela, dem Ziel des Jakobswegs. Pro Tag liefen wir ungefähr zwanzig Kilometer.
Nach drei Tagen tat nicht nur jeder Schritt weh. Selbst im Liegen schmerzten Füße und Gelenke wegen der ungewohnten Belastung. Das war schlimmer als die Hitze oder Blasen an den Fersen. Trotzdem sind wir jeden Morgen um halb sechs aufgestanden und weiter gelaufen. Wir hatten uns ein Ziel gesetzt, das wir erreichen wollten.
Was uns von den körperlichen Strapazen ablenkte, waren die vielen Begegnungen unterwegs. Es war unkompliziert, mit den anderen Pilgern ins Gespräch zu kommen. Wir bewältigten ein paar Kilometer zusammen, unterhielten uns und gingen dann wieder getrennter Wege.
Ein radikaler Schritt
Diese Offenheit unter Menschen, die sich noch nie vorher gesehen haben, macht für mich den speziellen Geist des Pilgerns aus. Ich erinnere mich besonders an ein älteres Ehepaar. Sie erzählten uns, dass sie ihr ganzes Leben nur gearbeitet hätten. Nun hätten sie alles hinter sich gelassen, um Neues zu entdecken. Der Mut zu solch einem radikalen Schritt hat mich schwer beeindruckt.
Nachdem wir unseren Weg beendet hatten, schliefen wir noch zwei Tage in einem Hotel. Das hieß: Daunendecke, Klimaanlage, ein eigenes Bad, Privatsphäre und Essen und Trinken, wann immer man Hunger und Durst hat. Dieser Luxus ist für uns Alltag. Dafür bin ich dankbar!
Pilgern war in Vielem eine Grenzerfahrung. Es hat mir aber auch gezeigt, was man alles erreichen kann, wenn man ein Ziel hat, das einem wirklich wichtig ist.
Lucas Stoppel, 24, hat Germanistik und Theologie studiert und absolviert derzeit ein Praktikum in der Öffentlichkeitsarbeit des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein.