Krankenhausseelsorge in Hamburg Ein Stück Heimat auf Zeit

Bettina Kolwe-Schweda schließt ihr Büro im Erdgeschoss des Krankenhauses ab. Um die Schulter trägt die 53-Jährige eine kleine schwarze Tasche mit einem Telefon darin. Wenn ein Notfall eintritt oder jemand stirbt, wird sie gerufen. Über 80.000 Patienten werden pro Jahr durch die Asklepios Klinik Altona geschleust, die meisten bleiben durchschnittlich fünf bis sechs Tage. „Wir sind da, um Patienten und Angehörigen Sicherheit in einer Grenzsituation des Lebens zu geben, eine Heimat auf Zeit“, sagt die Theologin. Zusammen mit ihren Kollegen Dr. Jürgen Bobrowski und Astrid Schmitt-Habersack arbeitet sie im ökumenischen Seelsorge-Team des Krankenhauses. Einer der Kollegen hat immer Bereitschaft, auch am Wochenende und nachts.

 

Zumeist erreicht sie der Anruf von der Station. Zum Beispiel, wenn eine Patientin nach einer Krebsdiagnose nicht mehr aufhört zu weinen. „Angst belastet viele Patienten, sie fragen sich, welchen Sinn ihr Leben noch hat“, sagt Bettina Kolwe-Schweda. „Es entlastet, über diese Gefühle zu sprechen und sie zu würdigen.“ Schwestern, Pflegern und Ärzten fehlt dafür häufig die Zeit.

 

Sie geht zum Fahrstuhl und fährt in den 14. Stock zu Melanie Rohmer*). Die 30-Jährige liegt seit neun Monaten im Krankenhaus. Nach einer Routine-OP kam Frau Rohmer mit schweren Komplikationen in das Altonaer Krankenhaus. Sie kann heute kaum noch sehen, ihre Hände sind bislang noch taub. Die Seelsorgerin weiß, dass besonders die jüngeren Krankenschwestern mit der Patientin leiden. Bevor sie zu ihr geht, schaut sie bei der Stationsleiterin hinein. Denn zu ihren Aufgaben gehört auch, für die Sorgen der Mitarbeitenden ansprechbar zu sein.

 

Dann klopft Bettina Kolwe-Schweda an der Tür zum Krankenzimmer und fragt, ob die Patientin ihren Besuch empfangen möchte. Als diese sie hinein bittet, rückt sich die Seelsorgerin einen Stuhl neben das Bett. Melanie Rohmer beginnt zu erzählen. Sie muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass sie als Lehrerin dienstunfähig sein wird. „Ich versuche in allem, was mir passiert, etwas Positives zu sehen“, sagt sie. „Doch jetzt ist langsam mal genug.“ Bettina Kolwe-Schweda hört zu, ermuntert. Die Patientin erinnert sich an den Schmetterling, der sich zu Beginn der Klinikzeit täglich am Fenster sonnte und sie hoffen ließ. Gemeinsam planen sie: Wenn Melanie Rohmer entlassen wird, wollen sie Ärzte, Schwestern und die Familie in die Kappelle des Krankenhauses zu einer Segensfeier einladen.

 

Rituale machen Gefühle sichtbar – und helfen, mit ihnen umzugehen, weiß Kolwe-Schweda. „Im Krankenhaus kommen viele Menschen das erste Mal seit langem wieder mit Religion und Glauben in Kontakt“, sagt sie. „Wir müssen für sie die passenden Rituale finden, sonntags im Krankenhausgottesdienst oder ganz persönlich.“ Es sei wichtig auf den Stationen präsent zu sein, etwa um Sterben und Abschied zu begleiten. Und dabei auch auf die Mitarbeitenden einzugehen. „So ist unsere Arbeit auch eine Form der Burnout-Prophylaxe.“

 

*) Name geändert



Mehr zur Krankenhausseelsorge erfahren Sie direkt in der Klinik oder auf www.krankenhausseelsorge-hamburg.de.