Nacht der Kirchen - persönlich Ein Streifzug durch den Hamburger Westen

Eric-Emmanuel Schmitt hat sein schmales Buch selbst zum Ein-Personen-Theaterstück umgeschrieben – die Schauspielerin Christine Reitmeier und Regisseur Peter Nuesch haben das Stück im Jahr 2007 für das Theater an der Rott in Eggenfelden/Bayern inszeniert.

 

In der Pause erfahre ich, dass die Eidelstedter Krankengymnastin Barb Seebach die Schauspielerin Christine Reitmeier mit „Oskar und die Dame in Rosa“ in die Christuskirche geholt hat. Seebach sammelt seit vielen Jahren Geld, um Eltern zu unterstützen, deren Kinder an der seltenen und unheilbaren Nervenkrankheit NCL, Neuronale-Ceroid-Lipofuszinose, erkrankt sind. Die Kirchengemeinde Eidelstedt fördert diese Arbeit und alle Spenden des Abends gehen an den Verein NCL. Nähere Informationen unter www.ncl-deutschland.de

 

Zum Theaterstück: Oscar ist zehn Jahre alt und weiß, dass er sterben wird. Ärzte und Eltern meiden das Thema, aber er kann mit „der Dame in Rosa“, einer Betreuerin in der Kinderklinik reden. Sie schlägt ihm vor, sich jeden ihm verbleibenden Tag wie zehn Jahre vorzustellen. So durchlebt er Pubertät, erste Liebe, Eifersucht, Midlife-Crisis, Alter, Einsamkeit – bis er mit 110 Jahren zu müde ist, noch länger zu leben. Und er schreibt jeden Tag einen Brief an Gott, lustige und traurige, über seine Krankheit, seine Konflikte mit den Eltern und seine Erlebnisse mit Kumpels und Ärzten im Krankenhaus.

 

Mit einfachen Mitteln, meist nur mit der Stimme, wechselt Christine Reitmeier in die Rollen von Oscar – umgedrehte Schirmkappe –, der „Dame in Rosa“ – rosa Kittel – oder der Putzfrau – Kopftuch, Eimer und Besen. Das Bühnenbild ist schlicht – zwei bemalte Paravans, davor ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. Auf dem Tisch steht eine himmelblaue Kiste, zur der Oskar redet, wenn er mit Gott spricht und in die er seine an Gott adressierten Briefe steckt.

 

Gott ein Hirngespinnst?

 

Diese Briefe an Gott sind auch eine Idee von „Mama Rosa“, wie Oskar sie nennt. Dass es Gott gibt, glaubt er zunächst nicht. Ihm kommen allerdings Zweifel, denn auch seine Eltern glauben nicht an Gott, dafür aber an den Weihnachtsmann. Und dass es den nicht gibt, weiß er schon lange. Vielleicht irren sie ja auch mit Gott?

 

„Wie soll ich denn an jemanden schreiben, den es nicht gibt?“, fragt Oskar. Mama Rosas Antwort: „Du kannst dafür sorgen, dass es ihn gibt!“ – „Und was soll ich ihm schreiben?“ – „Vertrau ihm die Gedanken an, die Du niemandem sagen magst.“ Oskar fängt an, Briefe an Gott zu schreiben und äußert jeden Tag einen Wunsch. Unterstützt von Mama Rosa wagt er, seine tiefsten Gefühle auszudrücken, gesteht Peggy Blue seine Liebe, sagt dem Arzt „Dr. Düsseldorf“, was dieser besser machen könnte, versöhnt sich mit seinen Eltern, denkt über Leben und Tod nach und wünscht sich, Gott zu begegnen.


Das Stück ist spannend und anrührend und es passt in die Kirche, weil es sich, wie Pastor Dirk Fanslau am Ende sagt, direkt und dicht um „Glaube, Liebe und Hoffnung“ dreht.

 

Leider muss ich auf das Büffet im Gemeindehaus verzichten, das unter anderen ein Team von Krankengymnastinnen und Patienten hergerichtet haben, aber ich mache mich erfüllt von dem intensiven Theatererlebnis auf den Weg nach Norderstedt. Es soll mit Theater weitergehen und ich will das Stück „Tränen der Heimat“ von Lutz Hübner und Benita Brunnert in der Thomaskirche Glashütte anschauen. Aber mir passiert, was viele Besucher von der Nacht der Kirchen, der Theater- oder Museumsnacht kennen: Die Zeit reicht nicht, rechtzeitig an den nächsten Ort zu kommen. Statt mitten in das Stück zu platzen, biege ich vorher ab und lande in der Schalom-Kirche der Kirchengemeinde Vicelin-Schalom.

 

Zwischenstopp in Norderstedt

 

Schalom, Norderstedt - 20.00 Uhr. Vor dem Schalomgebäude brennen drei Kerzen mit dickem Docht in breiten Schalen, warm und einladend. Auch hier ist der Raum mit Menschen gefüllt. An der Theke, an Stehtischen, in Sesseln, auf Stühlen und Treppenstufen, überall hat man es sich bequem gemacht. Gospelgesang auf der Bühne. Vor einem großen lateinamerikanischen „Hungertuch“, bewegen sich rhythmisch rund zwanzig Männer und Frauen, schwarz gekleidet mit roten oder hellgrünen Schals oder Krawatten und singen: die „Vicelin Voices“. Die Stimmung ist gelöst, alles swingt und lächelt, die Zuhörer gehen mit, und einige Besucher am Rand plaudern leise.

 

Verpasst habe ich bereits die Gitarrenkids „mit alten und neuen Hits für sechs Saiten“. Ich sehe Mädchen mit roten Wangen, noch ganz aufgeregt, die offenbar gerade ihren Auftritt hatten. Sie gehören zu den 120 Kinder, die für fünf Euro die Stunde von Bernd und Jenny Breuninger unterrichtet werden.

 

Im Schalom wird es dunkel, nur Kerzen auf den Tischen und farbiges Licht erhellen den Raum. Die Band „Tempelrock“ betritt die Bühne. Bandmitglieder sind evangelisch und katholisch. Musikalisch liefern sie eine Mischung aus Rock, Gospel und Soul mit christlichen Texten - meine Stimmung trifft das gerade nicht. Eine Weile höre ich zu, dann zieht es mich weiter, nach Hause nach Altona. Vielleicht reicht es noch zu einem letzten Abstecher um die Ecke; ich könnte Licht und Klänge in der St. Johanniskirche Altona mit dem Titel „Licht wird mich umarmen“ erleben oder in der Kirche der Stille mit Wolfgang Löschner „Töne aus der Stille schöpfen“...

 

mk