Islamwissenschaftlerin beim Staatsschutz Ein Netzwerk gegen islamistische Extremisten - Mit Infotelefon

Ehe Irmgard Schrand zum Staatsschutz kam, hat sie fünf Jahre in Kairo gelebt und dort über Juden in Ägypten geforscht. "Ich habe erlebt, wie offen und zugänglich die Menschen dort sind." Es werde in Deutschland oft übersehen, wie vielfältig der Islam sei. Arabisch spricht sie fließend. Auch wenn sie aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, ist ihre Neugier an religiösen Fragen geblieben.

 

Motor für Auseinandersetzung

Als unmittelbar nach den Terroranschlägen bekannt wurde, dass einige Täter aus Hamburg kamen, musste die Stadt reagieren. Seit Anfang 2002 unterstützt Irmgard Schrand polizeiliche Ermittlungen bei Taten mit islamischem Hintergrund und gibt als Expertin Auskunft zu kulturellen und gesellschaftlichen Fragen. Dass im Jahr 2008 die fünfköpfige Arbeitsgruppe "Prävention islamistischer Extremismus" gegründet wurde, rechnet sie der Polizeiführung hoch an. "Wir sind der Motor für die stetige Auseinandersetzung mit der Thematik."

 

Ihr Blick richtet sich auf Jugendliche und junge Menschen in Hamburg. Anfällig für islamistischen Extremismus seien nicht nur Jugendliche mit türkischen oder arabischen Wurzeln, sondern auch mit deutschen. Schrand: "Das ist eine ganz bunte Mischung."

 

Ungefiltere Infos aus dem Internet

Ihre Informationen suchten die jungen Menschen überwiegend im Internet. Dort erhofften sie sich ungefilterte Informationen. "Tageszeitungen und Fernsehen sind aus ihrer Sicht zensiert." Wie viele Jugendliche anfällig für islamistische Ideen seien, lasse sich nicht beziffern.

 

Viele Jugendliche würden die gegenwärtige Gesellschaft ablehnen und nach einer Alternative suchen, sagt Schrand. Die Islamisten würden Werte wie Gerechtigkeit und absolute Wahrheit versprechen. Der Protest der muslimischen Jugendlichen mit Hang zum Extremismus richte sich oft gegen die eigenen Eltern, die Autorität beanspruchten, obwohl sie in der Gesellschaft kaum Erfolge vorweisen könnten. Auch die Imame (Vorbeter) in den Moscheen lehnten sie oft ab, weil diese nicht deutsch sprechen können und die deutsche Lebenswelt nicht kennen.

 

Ablehnung der westlichen Kultur

Nach Schrands Beobachtungen spielt die geistliche Dimension der Religion für jugendliche Islamisten nur eine geringe Rolle. Wichtiger seien ihnen gesellschaftspolitische Forderungen und Regeln, die sie aus dem Koran herauslesen. Abgelehnt werde von den Islamisten auch nicht vorrangig das Christentum, sondern die westliche Kultur. Die Bindung an eine islamistische Gemeinde sei zweitrangig. Reizthemen seien der Nahost-Konflikt, der Afghanistan-Krieg und das Guantánamo-Lager. Viele würden an Verschwörungstheorien glauben, wonach der Anschlag in New York vom US-Geheimdienst verübt worden sei und Osama bin Laden noch lebe.

 

So wirbt Irmgard Schrand unter dem Motto "Verstehen-Verbünden-Vorbeugen" für die Bildung eines Netzwerks aus Imamen, Lehrern, Sozialpädagogen, betroffenen Familien und Jugendlichen. Gemeinsam sollen alle Beteiligen eine Gegenstrategie zur Propaganda extremistischer Islamisten entwickeln. Dafür sucht das Präventionsteam den Kontakt zu Schulen, Jugendzentren, Moscheen und Sportvereinen. Über mangelndes Interesse kann sich Irmgard Schrand nicht beschweren: "Es gibt großen Gesprächsbedarf."

 

Infos und Hilfe: Tel. 040 - 42 86 77 040