Hamburger Lessingtage Die Machtlosigkeit der Heiligen Schriften - Religionsmatinee

Die Toleranz einer Religion ist für den Islamwissenschaftler Thomas Bauer (Münster) eine Folge der jeweiligen gesellschaftlichen Umstände. Die Heiligen Schriften selbst hätten darauf wenig Einfluss. Der tolerante Islam im 14. Jahrhundert sei mit der Auffassung der heutigen Taliban so wenig vergleichbar wie die Heilige Inquisition mit der liberalen Katholischen Fakultät in Münster. Heute würden viele Muslime den Islam abseits der Autoritäten in den neuen Medien diskutieren. Bauer: "Der Cyber-Mufti im Internet".

 

Christentum in China

Der Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) habe die Ursache der Christenverfolgung vor allem in der Übertretung der geltenden Gesetze gesehen, sagte der Sinologe Helwig Schmidt-Glintzer, der als Direktor der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel ein Nachfolger Lessings ist. Im heutigen China könnten Christen ihre Religion weitgehend unbehelligt ausüben, wenn sie sich an die geltenden Gesetze hielten.

 

Toleranz gegenüber anderen Religionen ist für Bahr gerade dann notwendig, wenn sie Aspekte zeigten, "die ich nur schwer erträglich finde". Dies empfinde sie etwa bei muslimischen Mädchen in Berlin, die ein Kopftuch tragen müssten. Eine ähnlich große Herausforderung seien für sie auch evangelikale Pastoren in den USA, "die alles verleugnen, was ich richtig finde".

 

Schleier versus Kippa?

Es wundere sie, sagte die Berliner Rabbinerin Gesa Ederberg, dass Muslime in Deutschland für Dinge kritisiert würden, die man bei Juden toleriere. Dies gelte etwa für das Schächten und das mehrfache tägliche Gebet. Ein muslimischer Schleier wirke anscheinend provokanter als eine jüdische Kippa. Die Muslime müssten hier Konflikte auch stellvertretend für die Juden austragen. Ederberg: "Es scheint, als würden wir unter dem Radarschirm laufen."