Gefühlt hat sie eben noch zu ihrer Einführung gepredigt. Darüber, dass religiöse Minderheiten wie Perlen sind - klein, aber funkelnd. Inzwischen staunt sie, was alles in die vergangenen Monate gepasst hat. „Ich suche noch meinen Rhythmus“, sagt Corinna Schmidt, 51.
Im Sommer hat die mennonitische Pastorin die geistliche Leitung des Ökumenischen Forums übernommen. Die Mitglieder des Trägervereins „Die Brücke“ - ein Zusammenschluss aus 19 christlichen Kirchen - haben sie gewählt. Antje Heider-Rottwilm, ihre Vorgängerin und Pionierin in diesem Amt, war pensioniert worden.
Schmidt gehört einer der kleinsten Freikirchen in Deutschland an: den Mennoniten, einer historischen Friedenskirche, die den Militärdienst ablehnt. Als Gemeindepastorin war sie 25 Jahre lang für die beiden Gemeinden in Hamburg und Lübeck zuständig. Sie betreute ein Altenheim, saß dem Verband der Mennoniten in Norddeutschland vor. 30 000 Kilometer im Jahr war sie mit dem Auto unterwegs. „Ich bin eine gute Jongleurin“, sagt sie.
"Ökumene ist weit"
Diese Fähigkeit ist auch jetzt gefragt: Schmidt hat mit einem weiten Spektrum zu tun, mit unterschiedlichen Glaubensauffassungen und vielen Aufgaben. Sie will zuhören, fördern, anleiten. Sie sagt, es schmerze sie, dass nicht alle Kirchen gemeinsam Abendmahl feierten. Aber mit ihr sei wieder eine Frau in die Leitung gewählt worden, obwohl manche der Mitgliedskirchen keine Frauenordination kennen: „Das zeigt: Ökumene ist weit.“
Gerade organisiert sie eine Veranstaltungsreihe zur Ökumenischen Friedensdekade im November. Sie predigt in den Mitgliedskirchen, empfängt Besucher, leitet Freiwillige an, die Tagzeitengebete in der Kapelle des Forums an der Shanghaiallee zu gestalten.
Zum Glück sind die Wege kurz. Mit ihrem Mann, einem pensionierten Grafiker, ist sie in die Hausgemeinschaft gezogen. Ihr Arbeitszimmer liegt einen Stock unter der Wohnung. Sie achtet darauf, Privates und Arbeit nicht zu sehr zu vermischen. So bleibt der Laptop im Büro. Regelmäßig gehen sie ins Theater. „Ich muss meinen Blick hin und wieder auf Anderes richten, um neue Energie zu schöpfen“, sagt sie.
Geübt im Umgang mit Konflikten
Hineingewachsen in die mennonitische Gemeinde ist die Hamburgerin durch ihren Vater. Nach einem Auslandsjahr in Paris studierte sie in Münster und Hamburg Theologie. Seminare zum Verständnis mennonitischer Theologie, etwa zur Erwachsenentaufe, die in ihrer Kirche üblich ist, organisierte sie mit anderen Studierenden.
In ihrer Familie habe sie gelernt, für ihre Meinung einzustehen. Vielleicht hat sie auch deshalb eine Mediationsausbildung absolviert. „Wir kehren viel zu oft Dinge unter den Tisch und denken, dass das friedvoll sei. Dabei ist es besser, Konflikte offen und fair auszutragen.“
In ihrer Kirche haben die Laien das Sagen. Nur die Hälfte der Gemeinden hat einen Pastor, Bischöfe gibt es nicht. An die richtige Ansprache von Amts- und Würdenträgern müsse sie sich in ihrer neuen Stelle noch gewöhnen, sagt Schmidt. Doch ihre Unbefangenheit habe auch eine gute Seite: „Berührungsängste kenne ich nicht."