Protest gegen Wohnungsnot "Die Ausgrenzung muss ein Ende haben"

Protest gegen Wohnungsnot und fehlende Unterkünfte für Obdachlose.

Zum Ende des Winternotprogramms hat das „Hamburger Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot“ gegen die Wohnungsbaupolitik des Senats protestiert. Die Vorsitzende Bettina Reuter sprach mit kirche-hamburg.de über den Anlass und die mit der Aktion verbundenen Forderungen.

kirche-hamburg.de: Frau Reuter, worin bestand Ihre Aktion auf dem Ida-Ehre-Platz?
Bettina Reuter: Wir haben mit Kreide Betten auf den Asphalt gemalt und Kissen auf die Kopfteile gelegt. Dazu haben wir provokativ gefragt: "Würden Sie hier schlafen wollen?".

Was ist der Anlass für diese Aktion?
Reuter: Das Winternotprogramm der Stadt Hamburg geht nach Ostern zu Ende. Dann werden wieder viele obdachlose Menschen mehr in unserer reichen Hansestadt gezwungen sein, ihr Leben auf der Straße zu verbringen.

Was stimmt Ihrer Meinung nach in der Umsetzung des Winternotprogramms nicht?
Reuter: Auch in diesem Winter wurde wieder vielen osteuropäischen Obdachlosen der Erfrierungsschutz des Winternotprogramms verwehrt. Das liegt daran, dass diese Menschen oft eine Heimatadresse in ihren Pässen stehen haben und so kein Recht auf einen Übernachtungsplatz in der Notunterkunft.

Bettina Reuter - © privat - Copyright: privat
Bettina Reuter

Was fordern Sie?
Reuter: Zu einen fordern wir, dass diese Ausgrenzungspolitik des Hamburger Senats ein Ende hat. Wir fordern außerdem mehr bezahlbare Wohnungen für benachteiligte Menschen und mehr akzeptable Unterkünfte für die vorübergehende Unterbringung obdachloser Menschen.

Was schlagen Sie konkret für die Verbesserung der Wohnungssituation vor?
Reuter: Ein spezielles Programm im Wohnungsbau für obdachlose Menschen zu schaffen. Der angestrebte Drittelmix des Sentas (jeweils 33 Prozent geförderter Wohnungsbau, 33 Prozent freifinanzierter Wohnungsbau und 33 Prozent Eigentumswohnungen) entspricht nicht der Realität. 52 Prozent der Hamburger Haushalte sind sozialwohnungsberechtigt. Deswegen fordern wir 52 Prozent geförderten Wohnungsbau.

Was kann eine gute Übergangslösung bis zur Fertigstellung bezahlbarerer Wohnungen sein?  
Reuter: Ganzjährig menschenwürdige Unterkünfte für alle obdachlosen Menschen in Hamburg zur Verfügung zu stellen und jedem einen Platz zu garantieren, egal aus welchem Herkunftsland er stammt. Eine Idee für mehr Unterkünfte ist zum Beispiel, die leerstehende Flüchtlingsunterkünfte als Unterkünfte für obdachlose Menschen zu nutzen. Diesen Vorschlag haben wir auch schon dem Senat unterbreitet. Bisher ohne zufriedenstellendes Ergebnis. Es stehen viele Unterkünfte weiterhin leer. Die Pachtverträge laufen einfach so aus.

Abschließend die generelle Frage: Wie verliert man in Deutschland sein Dach über dem Kopf?
Reuter: Obdachlos wird man in Hamburg sehr schnell. Wenn die Zahlungen von Transferleistungen auf sich warten lässt oder ein oder mehrere Arbeitgeber ihren Lohn nicht zahlen, bleibt die Mietrechnung unbeglichen. Nach drei bis vier Monaten stehen so viele Menschen ohne Wohnung da. Viele haben zudem große Angst, in eine Behörde zu gehen oder Kontakt mit ihr zu pflegen, weil sie dort nicht respektvoll behandelt worden sind, Prozesse nicht erklärt bekommen und sich nicht verstanden fühlen. Andere verzweifeln schlichtweg an der Situation und stecken den Kopf in den Sand.

Vielen Dank für das Gespräch!

Hintergrund

Die Stadt Hamburg hat zum 25. Mal in Folge als Erfrierungsschutz das Winternotprogramm durchgeführt. In diesem Jahr gab es etwa 900 Notschlafplätzen. Sehr viel mehr Menschen leben obdachlos auf Hamburgs Straßen. Das „Hamburger Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot“ ist ein Zusammenschluss von Trägern der Wohnungslosenhilfe aus der Freigemeinnützigen Wohlfahrtspflege.