In der Nordkirche können sich gleichgeschlechtliche Paare zwar segnen lassen. Doch getraut sind sie dadurch nicht.
Wir arbeiten in der Nordkirche gerade daran, Segnung und Trauung gleichzustellen. Bundesweit ist das in zwei evangelischen Landeskirchen bisher möglich: in Hessen-Nassau und in der Westfälischen Landeskirche. Es gibt theologisch keinen Hinderungsgrund, dass Homosexuelle nicht vollwertig heiraten können. Die Ehe fördert das Leben, sie ist sinnvoll. Es ist diskriminierend, dass Schwule und Lesben nicht heiraten dürfen mit der vollen Ausstattung an Rechten und Pflichten. Alle Menschen sollten die Lebensform wählen können, die sie als hilfreich erachten.
Spätestens wenn es um das Zusammenleben mit Kindern geht, zucken Kritiker zusammen.
Der Staat hat ein Interesse daran, Gemeinschaften zu fördern, in denen Menschen existenziell für einander einstehen. Das gilt nicht nur im Umgang eines Paares mit sich selbst und mit Kindern, sondern beispielsweise auch mit alten Menschen. Wieso sollte das in einer Homoehe anders sein als in einer ehelichen Verbindung zwischen Heteros?
Doch was halten Sie denen entgegen, die sagen, eine Ehe ist die Grundlage für eine Familie - mit leiblichen Kindern?
Familie leben wir alle. Es gibt viele schwule Männer und lesbische Frauen, die leibliche Kinder aus einer früheren Heterobeziehung haben oder die in ihrer Lebensbeziehung Kinder zeugen. Erfahrung und Studien zeigen, dass sich Kinder in Regebogenfamilien ebenso gut entwickeln wie in einer Familie mit Heteroeltern. Die biologische Weitergabe des Lebens ist nicht der einzige Grund und Inhalt für eine Ehe. Leben kann man auch auf unzählige andere Weisen fördern und zur Welt bringen. Das sage ich aus Erfahrung als Pastor und als Privatmann, der keine leiblichen Kinder hat.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Ich denke an meine Großmutter und meine Großtante. Beide hatten in den beiden Weltkriegen ihre Männer verloren. 1945 taten sie sich als Frauenpaar zusammen. Sie waren für mich Vorbild, eine eindrucksvolle, wärmende christliche Werte- und Lebensgemeinschaft. Es gibt auch jenseits der sexuellen Bezogenheit Bünde, die zeigen, wie gutes Leben geht. Oberster Maßstab für mich als Christ im Sinne Jesu ist dabei: Das suchen, was das Leben fördert, ohne Scheuklappen. Und das begründet ablehnen, was das Leben in seiner Entfaltung behindert.
Was sagen Sie Vertretern anderer Religionen, die sich in punkto Homoehe nicht aus der Deckung wagen?
Es gibt – wie im Christentum – auch im Islam und im Judentum theologisch differenzierte und aufgeklärte Haltungen zu diesem Thema. Die EU hat 2003 die Allgemeinen Gleichheitsgrundsätze beschlossen. Diese in der Bundesrepublik und in den Religionsgemeinschaften umzusetzen, steht aber noch aus.
Was erwarten Sie von der Diskussionsrunde?
Es liegt mir daran, dass wir uns hier verständigen und verbünden. Wir wollen an der Grundform der Ehe nichts ändern. Wichtig ist aber, sich die Last der Bilder genau anzuschauen, die mit ihr verknüpft sind und offen zu verhandeln, welche von ihnen helfen, eine erfüllende Beziehung zu führen und welche nicht.
Was heißt das praktisch?
Eine Beziehung zu führen, die nachhaltig Leben stiftet, bedeutet Arbeit. Glück entsteht nicht nur durch Schmetterlinge im Bauch, sondern genau durch diese Arbeit. Als Religionen müssen wir Menschen darauf aufmerksam machen, sie begleiten, kräftigen und bilden. So geht es beispielsweise grundsätzlich darum, dass Menschen sprachfähig werden. Wenn ein Paar nicht über wichtige Themen redet, ist das der Tod im Topf – egal ob in einer Homo- oder Heteroehe.
Podiumsdiskussion zum Thema „Homosexualität und Religion“
mit: Andreas Tietze, Präses der Landessynode der Nordkirche
Mustafa Yoldas, Vorsitzender des Rates der islamischen Gemeinschaften Hamburg (Schura)
Kai Eckstein, Rabbiner
Susanne Dorn, Netzwerk katholischer Lesben
Andreas Ismail Mohr, Islamwissenschaftler
Nils Christiansen, Pastor Nordkirche
Zeit: Mittwoch, 24. Juni 2015, 19.30 Uhr
Ort: Hamburger Bücherhallen- Zentralbibliothek, Hühnerposten 1