Gotteshäuser aus Hamburgs NS-Zeit Das schwere Erbe der Nazi-Kirchen

Mehr als 500 evangelische und katholische Kirchen wurden zwischen 1933 und 1945 neu gebaut, davon etwa ein Dutzend im Gebiet der Nordkirche. Mehr oder weniger deutlich hat die nationalsozialistische Ideologie Spuren in Architektur und Ausstattung hinterlassen. Für die Gemeinden war die eigene NS-Geschichte über Jahrzehnte hinweg ein Tabu. Die Wanderausstellung "Christenkreuz und Hakenkreuz" aus Berlin will die Diskussion darüber anstoßen. Derzeit macht sie in der Nordkirche Station und wird in der KZ-Gedenkstätte Ladelund (Nordfriesland) gezeigt.

 

Hochburg der NS-nahen Christen

Auch die Lübecker Luther-Kirche wurde am Reformationstag 1937 eingeweiht. Die damals selbstständige Lübecker Landeskirche galt als Hochburg der NS-nahen "Deutschen Christen". Luther-Pastor Friedrich Stellbrink, der später von den Nazis hingerichtet wurde, war zuvor noch NSDAP-Mitglied und Mitglied im "Bund für Deutsche Kirche", nach eigenen Worten eine "Kampf- und Arbeitsgemeinschaft mit dem Ziel, die Kirche aus ihrer jüdischen Umklammerung zu befreien".

 

In den 50er und 60er Jahren sei für die Luther-Kirche vor allem die Integration der Kriegsflüchtlinge bestimmend gewesen, sagt die Historikerin Karen Meyer-Rebentisch, die die Geschichte der Luther-Gemeinde aufarbeitet. In den 80er Jahren habe dann auch die Auseinandersetzung mit Pastor Stellbrink und dem Kirchbau begonnen. Seit 1995 zeigt die Luther-Kirche eine Ausstellung über Stellbrink, der zu den "Lübecker Märtyrern" zählt. Die heroisch wirkende Skulpturengruppe "Die deutsche Familie" von Otto Flath wurde 1990 vom Altar in den Seiteneingang verlegt. Offensiv setzt die Gemeinde mit Demos, Zeitzeugen und Filmen Zeichen gegen Rechtsradikalismus.

 

Umgang mit NS-Bauten neu ausloten

Ein einheitlicher NS-Baustil ist bei den Kirchen nicht zu finden. Die Architektur komme "sehr ursprünglich" daher, sagt der Nordkirchen-Historiker Stephan Linck. Das nationalsozialistische Gedankengut werde teils offen, teils versteckt widergespiegelt. Es stelle sich deshalb die schwierige Frage, wie man heute damit umzugehen habe.

 

Ein Beispiel für die Ambivalenz ist die Gestaltung des Kreuzes. Die damalige Theologie der "Deutschen Christen" sah Jesus Christus vor allem als nordischen Kämpfer gegen das Judentum. Ein leidender Christus am Kreuz steht diesem Bild entgegen. So fehlt auch dem raumbeherrschenden Kreuz der Luther-Kirche der leidenden Christus. Im Gegenzug lässt ein schlichtes Holzkreuz nicht auf einen nationalsozialistischen Hintergrund der Kirche schließen. Mittlerweile steht auf dem Altar der Luther-Kirche wieder das Christus-Kreuz von 1914 aus dem Vorgänger-Bau.

 

Bezeichnend für die Luther-Kirchen in Wellingsbüttel und Lübeck ist auch ihre Ausrichtung nach Norden. Nicht aus dem Osten erwarteten nationalsozialistisch geprägte Christen das Heil, sondern aus dem Norden. Es sei eine "behördliche Auflage" gewesen, die Kirche nach Norden auszurichten, heißt es in der Wellingsbütteler Chronik. Der "Heimatschutzstil" in Wellingsbüttel mit Fachwerk und Backstein war zwar bevorzugter Baustil im "Dritten Reich", aber eben auch in den 20er Jahren.

 

Gedenktafel erinnert an NS-Vergangenheit

Die Wellingsbüttler Kirche hat vor einem Jahr eine kleine Gedenktafel unter dem Hakenkreuz angebracht und einen Mandelbaum gepflanzt. Die Gemeinde wolle damit einen Akzent zur eigenen Geschichte setzen, sagt Gemeindepastor Wolfgang Voigt. Das Denkmalschutzamt habe untersagt, das Hakenkreuz zu entfernen. Kratzspuren am Mauerwerk zeigen, dass es offenbar schon mal jemand versucht hat.

 

Bei gutem Licht kann man auch an Hamburger Ansgar-Kirche in Langenhorn ein Hakenkreuz erkennen. Der Maurer hatte es ohne Wissen des Kirchenvorstands mit Hilfe von hellen Backsteinen in den Turm gemauert. Ein Beispiel für den Einfluss des NS-Regimes auf die Kirchen-Architektur ist es allerdings nicht: die Kirche wurde bereits 1930 fertiggestellt.