Interview der Woche Das Experiment - 40 Tage ohne Lügen!

Jürgen Schmieder, was war der schwierigste Brocken innerhalb der 40 Tage ohne Lüge?


Antwort: Die Freundin meines besten Freundes rief bei mir an, um über ihre Beziehung zu sprechen. Sie fragte, was denn nicht stimme und warum die Beziehung nicht funktioniere. Ich wusste warum und habe es ihr auch gesagt: „Er schläft mit anderen Frauen!“ Diese Aussage allein war noch nicht das Schlimmste – viel schlimmer war, dass ich meinem besten Freund gestehen musste, dass ich ihn verraten habe. Wie das ausgeht, müssen Sie allerdings im Buch nachlesen…

 

Wie sind die Kollegen mit der neuen Situation umgegangen?


Antwort: Sie sind mir einerseits aus dem Weg gegangen – was ich komisch fand. Niemand sagte: Schön, dass Du ehrlich bist, dann sagst Du mir, wie nett ich bin und wie gut ich arbeite. Die meisten hatten Angst – und gaben einer mutigen Kollegin eine Liste mit Fragen, die ich beantworten musste – von harmlos wie „Wie viel verdienst Du?“ bis hin zu „Wen würdest Du entlassen?“

 

Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen dieses Experiment zu wagen?

 

Antwort: Wir hatten in der Redaktion die Idee, zur Fastenzeit auf mehr zu verzichten als nur Schokolade und Alkohol. Es fielen die Ideen „Verzicht auf Internet“ und „Verzicht auf Geld“. Da ich gerade die Erfahrung machen musste, oft belogen worden zu sein, beschloss ich: Keine Lügen mehr, 40 Tage lang.

 

Ist der Ehrliche der Dumme?


Antwort: Kurzfristig ja – weil der Lügner sich einen Vorteil verschafft und in vielen Situationen weiter kommt als der Ehrliche. Nur: Irgendwann kommt jede Lüge ans Licht – und dann kann sich derjenige glücklich schätzen, der ehrlich war. Eine Welt ohne Lügen kann ich mir zwar nur schwer vorstellen – eine Welt mit weniger Lügen aber schon.


Ehrlich sein muss nicht heißen, immer alles gerade heraus zu sagen oder wo beginnt bei ihnen die Lüge?

 

Antwort: Die Lüge beginnt schon, wenn jemand morgens im Bad vor dem Spiegel den Bauch einzieht und sich selbst einredet: „Schon in Ordnung!“ Oder dem verhassten Nachbarn einen „Guten Morgen“ wünscht. Radikale Ehrlichkeit bedeutet, all das zu sagen, was ich gerade denke – mit allen Konsequenzen. Deshalb gab es während der Zeit zahlreiche harte Worte und schwierige Gespräche.

 

Sind sie geläutert? Oder geht es nicht ohne Lügen?


Antwort: Ich lüge wieder – aber deutlich weniger als vorher. Radikale Ehrlichkeit funktioniert nicht – so wie alles Radikale nicht funktioniert. Aber ein bisschen mehr Ehrlichkeit würde der Menschheit nicht schaden. Ich würde mir wünschen, dass sich viele Menschen im Buch wieder erkennen und über ihr Leben nachdenken – und danach ehrlicher zu ihren Mitmenschen sind.

 

mk (www.kirche-hamburg.de)

 

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"Du sollst nicht lügen! Von einem der auszog, ehrlich zu sein"

336 Seiten

Verlag C. Bertelsmann 2010

14,95 Euro

ISBN 978-3-570-10044-8