Bischof Ulrich bekräftigte in der Predigt, dass "spektakuläre Aktionen" nötig gewesen seien, um die Fälle von Missbrauch durch einen Pastor der Gemeinde zur Sprache zu bringen. Nur dadurch sei "auch das Versagen von Dienstaufsicht und verantwortlichem Handeln in der Kirchenverwaltung" öffentlich geworden.
Zerstörung von Menschen übersehen
Ulrich bekannte, lange Zeit nicht gewusst zu haben, wie man mit Vorgängen umgehen sollte, die eigentlich dem Dienstrecht und der Verschwiegenheit unterliegen. Einige hätten "nur an das Ansehen der Kirche gedacht" und dabei "die schreckliche Zerstörung von Menschen" übersehen. Sie hätten "die Tragweite des Geschehens verkannt".
Bischöfin Fehrs sprach in der Dialogpredigt von "einer Verzweiflung, die die Hoffnung blind macht". Sie sei daher denen dankbar, "die ihre eigenen Ängste und Schamgefühle überwunden haben, um zu sagen, was ihnen und anderen geschehen ist". Sie seien förmlich "der Kirche aufs Dach gestiegen". Jetzt suche sie "Gesten und Worte, die die Erstarrung aufbrechen", sagte die Bischöfin. Es gelte, die "Vision der Umkehr" neu zu füllen - "mit Verheißung, Lebendigkeit, Trost und Seelsorge".
Kooperation mit Verein "Missbrauch in Ahrensburg"
Zu dem Gottesdienst hatte auch der Verein "Missbrauch in Ahrensburg" eingeladen. Anfang September hatte Bischöfin Fehrs die Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission sowie individuelle Unterstützungsleistungen für Missbrauchsopfer angekündigt. Dies war von dem Verein ausdrücklich begrüßt worden. Vereinsvorsitzender Anselm Kohn sprach von "Meilensteinen der Aufarbeitung".
Hintergrund: Seit Anfang der 70er Jahre soll der Ahrensburger Pastor Dieter K. über Jahrzehnte hinweg Jugendliche missbraucht haben. 13 Opfer haben sich mittlerweile bei der Kirche gemeldet. Öffentlich bekannt wurden die Taten erst 2010, als ein Opfer einen Brief an die damalige Hamburger Bischöfin Maria Jepsen schickte. Pastor K. gestand die Taten und quittierte den Kirchendienst. Bischöfin Jepsen trat im Juli 2010 zurück, um "ein öffentliches Zeichen" zu setzen, wie sie sagte.
Am Mittwochabend teilte die Disziplinarkammer des Kirchengerichtes der Nordkirche mit, dass das Verfahren gegen den Ruhestandsgeistlichen H. (71) aus Ahrensburg ohne Beweisaufnahme eingestellt worden sei. Eine "Entfernung aus dem Dienst" sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit "nicht gerechtfertigt", erklärte der Vorsitzende Richter Bernd Wrobel vom Amtsgericht Reinbek. Das Landeskirchenamt hatte dem Pastor "schwerwiegende Amtspflichtverletzungen" vorgeworfen und bei der Disziplinarkammer des Kirchengerichtes seine Entfernung aus dem Dienst beantragt. Nordkirchensprecher Frank Zabel sagte, die schriftliche Begründung des Gerichts "intensiv prüfen" zu wollen. Das Landeskirchenamt halte an seiner Rechtsauffassung fest.
Das Kirchengericht verwies darauf, dass die dem Angeschuldigten vorgeworfenen Taten "teilweise mehrere Jahrzehnte" zurücklägen. Nach allgemeinem Strafrecht seien sie verjährt und könnten nicht mehr verfolgt werden. Der Angeschuldigte habe sich in dem langen Zeitraum nach den Pflichtverletzungen "einwandfrei geführt". Auch der Umstand, dass der Angeschuldigte samt seiner Familie "unter den Folgen einer regelrechten Hetzkampagne gelitten" hätten, rechtfertige eine mildere Bewertung.
Das Verfahren gegen den Ahrensburger Ruhestandspastor H. war im November 2011 eingeleitet worden. Der Verein "Missbrauch in Ahrensburg" hatte die damalige Nordelbische Kirche bereits ein Jahr zuvor aufgefordert, H. zu entlassen. Der Verein warf ihm vor, jahrzehntelang den vielfachen sexuellen Missbrauch seines Pastorenkollegen Dieter K. vertuscht und seinerseits junge Mädchen seiner Jugendgruppen sexuell missbraucht zu haben.