Heiligabend Bitte berühren!

Zeichen der Hoffnung lange vor der Wiedervereinigung: Pastor Oliver Spies mit der Krippe

Die Zachäus-Kirche in Langenhorn birgt ein Stück deutsch-deutscher Geschichte. Sie bekam ihre Krippe 1984 vom jüngst verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt geschenkt. Der wiederum erhielt sie von DDR-Staatschef Erich Honecker. Jetzt stehen Jesus, Maria und Josef und ihre Gäste hinter Glas. Schade, findet Gemeindepastor Oliver Spies in seinem Gastbeitrag zu Heiligabend

Selten fehlt das Schild an den Weihnachtskrippen in Kirchen. Meist steht es etwas abseits des Stalles am Rand zwischen Hirten und Schafen, aber der Hinweis ist nicht zu übersehen: „Bitte nicht berühren!“ Manchmal sogar auf Englisch: „Do not touch!“

In der Zachäus-Kirche in Hamburg-Langenhorn verzichten wir auf das Schildchen. Wir haben die Heilige Familie samt Gästen gleich hinter Glas gestellt. Sicher ist sicher. Schließlich sind die geschnitzten Figuren aus dem Erzgebirge besonders: Loki und Helmut Schmidt haben sie 1984 der Kirchengemeinde vermacht. Was damals keiner wusste: Die Figuren waren ein Geschenk von Erich Honecker. Auf das Staatsgeschenk mit deutsch-deutscher Geschichte gilt es selbstverständlich gut aufzupassen, weshalb man den Deckel der Stall-Vitrine auch abschließen kann.

„Bitte nicht berühren!“ Die Weihnachtsgeschichte als Museumsstück! Dabei will sie doch genau das Gegenteil: Sie will berühren und berührt werden! Vergangene Weihnachten holten wir deshalb im Gottesdienst das Jesu-Kind aus dem Verschlag und ließen es durch die Reihen gehen. Jeder sollte es einmal kurz in den Händen halten, es anfassen und spüren: Gott legt sich in die Arme dieser Welt, in unsere Arme. Gott wird Mensch sichtbar, greifbar, fühlbar – auch für mich.

Ich wünschte mir, wir wären nicht so furchtsam

Sehr vorsichtig ging die Figur von Hand zu Hand. Die Betrachter gingen auf Tuchfühlung. Für einen Moment wurde jeder zur Krippe für das Kind: War ihm Hirte oder König, berührte es mit den eigenen Hoffnungen und Ängsten, der eigenen Sehnsucht nach Frieden im Großen und Kleinen. Für einen Moment war es ganz nah in unserer Welt und wir ihm. Es dauerte eine Weile bis das Jesus-Kind wieder heile in der vertrauten Umgebung bei Maria und Josef lag.

In diesem Jahr stehen die Figuren wieder hinter Glas. Sicher ist sicher. Aber wenn ich sie betrachte, wünschte ich mir, wir wären nicht so vernünftig, furchtsam. Ich wünschte mir, wir würden sie alle einfach so hinstellen – und noch ein großes Schild daneben: „Bitte berühren!“

Oliver Spies, Pastor in der Zachäus-Kirche in Langenhorn