Kirche müsse Nachbarschaften stiften und pflegen, sagte Bahr weiter. Dafür brauche es Ortsgemeinden als "Herzkammer eines vitalen evangelischen Christentums" ebenso wie alternative Gemeindeformen, Kultur- und Citykirchen, Dienste und Werke sowie die Diakonie. Diese Formen sollten "nicht gegeneinander ausgespielt" werden, sondern sich gegenseitig ergänzen. Dies gelte auch für die Ökumene: "Wenn die christlichen Kirchen sich in der Öffentlichkeit gegeneinander profilieren, finden sie immer weniger Unterstützung", sagte die promovierte Theologin.
Kirche sollte überdies mit Politik und Wirtschaft, mit Kultureinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Akteuren im Gespräch bleiben. "Auch die Gottesfrage gehört in den öffentlichen Raum", sagte Bahr. Sie stelle sich niemals abstrakt, sondern immer im Kontext von Menschen und ihren konkreten Problemen. Nicht immer müssten dabei kirchliche Stellungnahmen "im Modus der Antwort" erfolgen. Kirche sollte auch "ein Raum des Zögerns sein, ein Raum der Nachdenklichkeit".
Nötig seien angesichts zunehmender Medienpräsenz auch "neue Räume der Verschwiegenheit". Es müsse Orte geben, wo Menschen wieder miteinander reden könnten, ohne dass Anlass und Ergebnis gleich in der Zeitung stehe. Auch das Gebet empfehle sich neu. Es sei "nicht nur das ehrliche und konkrete Fürbittengebet im Gottesdienst". Gebet meine, frei nach Martin Luther, auch "eine Haltung, die mitten in den Verrichtungen des Alltags mit Gott im Gespräch bleibt". Bahr: "So wird das Gebet zu einer Instanz evangelischer Urteilsbildung in allen Bezügen des Lebens."
Petra Bahr ist seit 2006 Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie ist verheiratet mit Hans Michael Heinig, Jura-Professor in Göttingen. Das Ehepaar hat einen dreijährigen Sohn.
Ihre Mitkandidatin um die Nachfolge der im Juli 2010 zurückgetretenen Bischöfin Maria Jepsen ist die Hamburger Pröpstin und Hauptpastorin von St. Jacobi, Kirsten Fehrs (49). Sie spricht am kommenden Dienstag, 7. Juni, ebenfalls zu einem selbstgewählten Thema (Wichern-Saal der Ev. Stiftung "Das Rauhe Haus", Horner Weg 190, 19 Uhr).
Die Bischofswahl soll am 17. Juni im Hamburger Michel stattfinden.