Geistliches Wort zur US-Wahl Bischöfin Fehrs: "Haltung bewahren"

Kirsten Fehrs ist Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordkirche

Donald Trump ist der neue Präsident der USA. Ein Wahlergebnis, das schockiert. Wie geht es jetzt weiter? In ihrem geistlichen Wort für kirche-hamburg.de ruft Bischöfin Kirsten Fehrs zu Haltung und Besonnenheit auf

Der Schock über das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen sitzt tief am heutigen Tag. Natürlich steht es uns als Deutschen nicht zu, die demokratische Wahlentscheidung eines freien Landes zu kritisieren. Doch es muss erlaubt sein, Fragen zu stellen: Kann jemand verantwortlich Politik betreiben, der zuvor in menschenverachtender Weise über Schwarze und Hispanics hergezogen ist, der Frauen beleidigte und sich über Behinderte lustig machte? Wie wird wohl ein Mann seine Macht nutzen, der im Wahlkampf fragte, warum eigentlich Amerika seine Atomwaffen nicht einsetze? Und schließlich: Kann ein Präsident glaubhaft für die Werte der westlichen Welt eintreten, der bewusst den Eindruck erweckt hat, dass ihm Werte wie soziale Gerechtigkeit und Religionsfreiheit gleichgültig sind?

Mich selbst und viele andere Menschen treiben diese Fragen um. Ich spüre die Angst und Verunsicherung bei vielen Menschen. Denn wenn wir ehrlich sind, ist uns das alles ja nicht fremd: Auch hierzulande gewinnt der Populismus an Boden, werden die gesellschaftlichen Debatten und die Töne vor allem in den sozialen Medien immer aggressiver.

Ich glaube, dass das Wahlergebnis in den USA, aber auch vergleichbare Phänomene hier bei uns viel mit dem Verlust von Heimat zu tun haben. In der unübersichtlich gewordenen Welt, in der alte Grenzen und Gewissheiten schwinden, sehnen sich viele Menschen nach Klarheit und nach festen Werten. Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir die Antworten auf diese Sehnsucht nicht den Populisten überlassen dürfen. Wir müssen die Fragen der Menschen hören, ihre Verunsicherung wahrnehmen. Zugleich dürfen wir Werte wie Wahrhaftigkeit, Nächstenliebe, Barmherzigkeit jetzt nicht preisgeben – denn genau sie machen die Haltung aus, die uns unser christlicher Glaube lehrt.

Und vor allem: Lassen wir uns nicht irre machen durch die Umdrehungen von Politik, Medien und sozialen Netzwerken. In der Bibel findet sich ein passendes Wort dazu, das Jesus selbst gesprochen hat: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Das ist alles andere als Weltflucht und keine Vertröstung. Ich lese es als Aufruf zu Ruhe und Besonnenheit - und als Trost: Es gibt eine Hoffnung, dass sich Verhältnisse ändern. So bleiben wir also bei unseren Werten - bei  Glaube, Liebe, Hoffnung. Und vertrauen darauf, dass diese Haltung sich am Ende durchsetzt.

9. November 2016