Frau Bischöfin Fehrs, Sie als Vertreterin der Evangelischen Kirche sprechen auch auf der Kundgebung gegen rechts auf dem Rathausmarkt. Warum nehmen Sie teil?
Bischöfin Kirsten Fehrs: Wir müssen unsere Stimmen erheben gegen die, die Menschenrechte mit Kampfstiefeln treten. Als evangelische Kirche stehen wir ein für kulturelle und für religiöse Toleranz. Wir tun das aus der christlichen Überzeugung heraus: Wer gegen Menschenwürde agiert, handelt gegen Gott. Rechtsextremes Gedankengut ist mit keiner Religion vereinbar. Im Gegenteil: Unsere Unterschiede, egal woher wir kommen, sind vielmehr eine Kraft, mit der wir allen Einheitsideologien entgegen treten können – und müssen. Deshalb ist es wichtig, am 2. Juni auf die Straße zu gehen und ein deutliches und sichtbares Zeichen zu setzen gegen rechts.
Was hat die Evangelische Kirche gegen rechte Tendenzen und Stammtisch-Parolen zu bieten?
Wir leisten im Bereich der Ökumene und des interreligiösen Dialogs einen Beitrag gegen stumpfe rassistische Parolen, weil wir dort lernen, genauer hinzusehen und uns in den verschiedenen Religionen gegenseitig kennen zu lernen. Die evangelische Kirche leistet viel Beratung und Unterstützung für Flüchtlinge. Dafür treten wir auch öffentlich ein und zeigen, dass wir für alle Menschen und Nachbarn da sind, die unsere Hilfe suchen - auch für Nicht-Christen. Besonders innerhalb der Kirchengemeinden und im Bereich der Diakonie passiert das ja tagtäglich. Mit unserem Bildungsangebot reichen wir auch denjenigen eine Hand, die sich allein fühlen und Hilfe brauchen. Hier sind wir gefordert, damit auch dort Propaganda gegen Fremdes nicht greift. Und bei Stammtisch-Parolen hören wir nicht weg und schweigen, sondern erheben die Stimme dagegen. Von der Kanzel, aber auch im Café nebenan. Nicht zuletzt sehe ich uns Geistliche in der Pflicht, Anreiz zu geben, mit Hilfe des Evangeliums unsere Gesellschaft sensibel wahrzunehmen, zu reflektieren und sich einzumischen.
In Deutschland bekommt man manchmal den Eindruck, dass konservativ-rechtes Gedankengut wieder salonfähig geworden ist, wie sehen Sie die Entwicklung?
Ja, wir dürfen nicht wegschauen, wenn Debatten auf dem Rücken einer Bevölkerungsschicht geführt werden und wenn durch Populismus konstruktive Diskussion nicht mehr möglich ist. Dann kommt es tatsächlich zu Stammtischparolen. In einer Metropole wie Hamburg sind wir alle beispielsweise gefragt, wenn es um die Verteilung der Bildungschancen geht. Dabei müssen wir uns auch alle selbst hinterfragen, wenn es um Stigmata geht - da nehme ich mich selbst nicht aus. Eine Beschreibung wie beispielsweise "Dort leben besonders viele Ausländer", darf nicht selbstverständlich sein, sondern soll hinterfragt werden. Denn braune Gedankenfetzen in Wohnzimmern sind genauso wenig salonfähig, wie braune Geschichtsverdrehung auf faschistischen Kundgebungen.
Was kann man tun, damit sich die braune Gesinnung nicht ausbreitet?
Demonstrieren hilft, Nachdenken, Debattieren und ins Gespräch kommen. Dazu gehört auch, dass am 2. Juni sogenannte Migrantenorganisationen mitmachen, denn wir sind eine Gemeinschaft und stehen zusammen. Außerdem ist Berichterstattung wichtig, so wie Ihre, denn in Hamburg passiert viel, beispielsweise Erinnerungsarbeit - unter anderem auch von der Evangelischen Kirche. Ich freue mich besonders, dass auch Esther Bejarano und ihr Sohn an diesem Tag ihre Stimme erheben - mit Musik. Und Ralph Giordano würdigt nachmittags im Rathaus mit dem Bertini-Preis ausgezeichnete Schülerarbeiten zur NS-Zeit. Den Titel der Veranstaltung finde ich sehr passend: "Die Erinnerung im Herzen, die Zukunft in der Hand". Am 2. Juni und danach gibt es ja auch Workshops in der Umgebung des Rathauses, wie Sicher auftreten gegen Rechtsextremismus“. Man kann also sehr viel tun, für eine echte Zukunft in Deutschland.