Sexualisierte Gewalt in der Kirche Bischöfin bittet Opfer um Verzeihung für zugefügte Leiden

Erforderlich sei "ethisches Nachdenken über Themen, die keine einfachen Antworten brauchen können". Zugleich gehe es um "Handeln, wenn es an der Zeit ist" sowie um "Dialog, wo Stummheit droht". Besondere Geduld und Augenmerk erfordere dabei das Thema "Sexualisierte Gewalt in der Kirche". Die Erwartungen seien immens, sagte Fehrs. Aber die Enttäuschungen seien vorprogrammiert, weil kein Mensch die langjährigen, tiefen Verletzungen von Körper und Seele heilen oder ausgleichen könne.

 

Vielen grausames Leid zugefügt

"Ich sehe die Schuld", sagte die Bischöfin. "Menschen in unserer Kirche haben so Vielen grausames Leid zugefügt. Dass dies geschehen konnte, dafür bitte auch ich Sie in aller Form um Verzeihung." Die juristische Aufarbeitung der Fälle allein reiche nicht aus. Es gelte zugleich, sich auch psychologisch den Versäumnissen und Fehlern der Institution Kirche zu stellen. Es gehe um eine Haltung, die die Augen vor Übergriffen von Kollegen und Nachbarn nicht verschließt. Im Frühjahr plane sie gemeinsam mit Bischof Gerhard Ulrich eine öffentliche Gemeindeversammlung in Ahrensburg.

 

Nötig sei aber auch das vertrauliche Gespräch der Seelsorge. Alle Leidensgeschichten seien individuell, und es koste Kraft, über sie zu reden. Man könne Opfer auch durch gutmeinendes Mitgefühl stigmatisieren. Und nichts sei befreiend, wenn man Menschen darauf reduziere, Opfer zu sein. "Auch Seelsorge ist Verheißung von Veränderung", sagte Fehrs. Dass sie nicht-öffentlich sei, sei keine Vertuschung: "Seelsorge ist ein verschwiegener Raum des Vertrauens."

 

Armut und Arbeitslosigkeit

Gesellschaftliche Skandale seien auch die Armut und die Arbeitslosigkeit, gerade in Hamburg als eine der reichsten Städte Deutschlands. Viele der Betroffenen hätten mühsam mit Ein-Euro-Jobs in Projekten wie der Rathauspassage oder der Sozialfirma "Samt + Seife" Fuß gefasst. Dieses Engagement sei jetzt durch die Arbeitsmarktpolitik des Hamburger Senats gefährdet. Sie habe aber die Hoffnung, dass es mit den in Aussicht gestellten Bundesmitteln von zehn Millionen Euro gelingen könnte, Alternativen zu den Ein-Euro-Jobs aufzubauen.

 

"Unsere Gesellschaft leidet zunehmend an einer metaphysischen Obdachlosigkeit", sagte die Bischöfin. Vielen fehle der Kontakt zu einer Vision. Stattdessen sei die Depression die Volkskrankheit Nummer 1. "Immer weniger Menschen wissen noch etwas von Religion, von dem, was Christen, Muslime und Juden glauben." Das "Haus der Tradition" sei "eine zugige Baustelle". Es sei Sache aller Religionen, gemeinsam gegen diese Gottvergessenheit anzugehen. Fehrs nannte als Beispiel den Religionsunterricht, in dem den Menschen "von klein auf religiös Obdach gegeben" werde.