Welche Gedanken er sich zu dem Thema macht, kann man in der ersten Adventswoche hören. Dann ist Störmer, 65, noch einmal mit der täglichen Morgenandacht im NDR dran. Als Hauptpastor ist er eine bekannte Stimme in der Stadt. Nach 13 Jahren verlässt er seine Gemeinde St. Petri an der Mönckebergstraße, den imposanten neugotischen Hallenbau im Schnittpunkt von Politik, Kultur und Konsum.
Er habe sich immer als „Wirt im Gasthaus zur Seele“ verstanden, sagt Störmer. Und so hat er gemeinsam mit seinen beiden Kollegen das Leben der Kirche geprägt. Ein reiches geistliches Leben ist es: mit täglicher Andacht, „Mittwochsmesse“ und zwei Sonntagsgottesdiensten. Ein fester Anker für viele Menschen ist auch das Seelsorge- und Beratungszentrum St. Petri.
„Das Gebäude predigt“ lautet einer von Störmers Leitsätzen. Im Pastoren-Team war er für die Bau- und Finanzfragen zuständig. So sind das neue Gemeindezentrum sowie der kubusförmige Büro-Einbau in der Kirche unter seiner Regie entstanden.
Störmers Beziehung zu St. Petri begann unkonventionell
Letzterer ist bis heute unter Architekturkritikern umstritten. Pastoren, Küster und der Kirchenmusiker haben darin ihre Büros. „Ich wünschte, mehr Gemeinden in Hamburg würde sich für so eine Lösung entscheiden“, sagt er. „Wo Kirche draufsteht, ist auch Kirche drin.“ Außerdem könne man so Energie sparen – ein nicht unwesentliches Argument in Sachen Klimaschutz.
Störmers Beziehung zu St. Petri begann unkonventionell. Es war die Zeit der atomaren Aufrüstung und des Reaktorunglücks im US-amerikanischen Atommeiler Harrisburg. 1979 besetzten Atomkraftgegner bei einer gewaltfreien Aktion die Kirche. Auch er, damals Vikar in Volksdorf, gehörte dazu - und übernachtete sogar in dem alten Gemäuer.
„Aufrecht und mittendrin“ – so lautet das Motto der Gemeinde. Es passt auch auf Störmer. Wenn er von einer Sache überzeugt ist, schrecken ihn Schlagzeilen nicht. In den ersten Jahren seiner Amtszeit benötigte die Gemeinde dringend Geld für die Sanierung der Kirche. Also stellte sie ihre Außenfassade als Fläche für riesige Mode-Banner zur Verfügung. Damit der Denkmalschutz zustimmen konnte, musste das Gebäude mit weißen Planen verhüllt werden.
Als Abiturient galt er als schüchtern
Trotz aller räumlichen Nähe zum Rathaus wahrte Störmer kritische Distanz zu den Regierenden: „Wir haben als Christen ein Wächteramt.“ Mit einer von ihm gegründeten Initiative protestierte er gegen Waffenhandel aus dem Hamburger Hafen und übergab die Unterschriften mit seinen Mitstreitern an die Bürgerschaft.
Einen weiten Weg hat Störmer zurückgelegt, auch persönlich. „Noch als Abiturient galt ich als schüchtern“, erinnert er sich. Unter dem strengen Regiment seines Vaters, eines Grundschullehrers, wuchs er mit drei Geschwistern in einem 800-Seelen-Dorf in Nordhessen auf. Später studierte er Pädagogik und Theologie. Seine erste Pfarrstelle führte ihn 1980 in die Hochhaussiedlung Steilshoop.
Als er sich sieben Jahre später im beschaulichen Kiel-Altenholz um eine Pfarrstelle bewarb, entzweite sich der Kirchenvorstand an seiner Person. Ein Handzettel mit einem Karl-Marx-Zitat aus seiner Studienzeit kursierte. Doch er bekam die Stelle und blieb 15 Jahre.
"Ich kann mich gehen lassen"
Sein berufliches Leben habe sich in einem Dreiklang aus Theologie, Politik und Seelsorge bewegt, sagt Störmer. Mehrere therapeutische Ausbildungen hat er abgeschlossen. Mit seiner Frau, einer Ärztin für psychosomatische Medizin, ist er in der von ihm mitgegründeten „Association Blue Carpet“ aktiv, der „Nordeuropäischen Konferenz für Seelsorge, Therapie und Beratung“. „Alles will ich in einer guten Balance fortführen.“
Doch jetzt freut er sich erst einmal über die Lücken in seinem Kalender. Er hat Zeit zum Laufen und Radfahren. Die für dieses Jahr geplanten beiden Bücher sind bereits erschienen. „Ich kann mich gehen lassen und irgendwann wieder Tritt fassen“, sagt Störmer mit dem ihm eigenen Wortwitz. Eine große Reise per Bahn und Schiff in die Mongolei ist für nächstes Jahr geplant. Innerlich und äußerlich bewegt wird sein Leben auch im Ruhestand bleiben.
Gottesdienst
Zeit: Sonntag, 1. November, 15 Uhr
Ort: Hauptkirche St. Petri, Mönckebergstraße
Hauptpastor Christoph Störmer predigt. Mit Hauptpastorin und Pröpstin Ulrike Murmann. Grußworte: Carola Veit, Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft und Sabine Rückert, Chefredaktion der „DIE ZEIT“