Bischöfin Kirsten Fehrs zum Advent Advent ist Ankommen

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<align="center">Bischöfin Kirsten Fehrs - Foto: Nordkirche / Marcelo Hernandez


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Ja, so ist das. Erst einmal aber will er nach Herzhausen umziehen. Das ist das kleine Häuschen im Garten mit dem Herz darin. Da soll es gar nicht so schlecht sein. Pelle packt seine Tüte mit seinem Ball, der Mundharmonika und „Hänschen im Blaubeerwald“, alles halt, was der Mensch wirklich braucht. Was für ein Bild, als die kleine traurige Gestalt in hellblauem Wintermantel durch den Schnee stapft und hinter der Tür mit dem Herzen verschwindet! Kurze Zeit darauf sieht die Mutter ein kleines Licht im Fenster und hört Pelle leise spielen: Nun, ade, du mein lieb Heimatland.

 

Es ist eine in ihrer Komik auch berührende Geschichte. Denn ob Kinder- oder Erwachsenen-Seele: Es geht darum, wie man sich mit seiner ganzen Liebe und Verletzung, die sich in einem angesammelt hat, wie man sich trotz all des Unrechtes in der Welt mit seinem Herzen beheimaten kann. Wie man einen Ort findet , an dem man sich geborgen fühlt. Wo man mit Menschen zusammen lebt, die man liebt, die einen tragen und manchmal auch ertragen.

 

„Heimat“ geht an den Ursprung der Existenz

 

Heimat ist etwas unerhört Wertvolles. Sie ist sozusagen das Haus fürs Herz. Da darf ich sein, die ich bin. Heimat ist mehr als die Landschaft, in die hinein ich geboren bin und mehr als die Nation, zu der ich gehöre. So schön beides sein mag, mit einer Muttersprache in einem Vaterland beheimatet zu sein, Heimat reicht doch an eine tiefere Schicht. Sie geht an den Ursprung der Existenz. Und deshalb tut es weh, Heimat zu verlieren. Nicht wieder heimkommen, nach Haus kommen zu können, ist ein ganz tiefer und schneidender Verlust eines Teiles der eigenen Geschichte, ist im wahrsten Sinne Herz-Schmerz.

 

Nichts scheint im Moment aktueller, als über Heimat zu sprechen. Und dies zunächst gerade religiös – ist doch Advent und Weihnachten ein einziges Ankommen. Alle kommen nach Haus. In ihre Familien. Auch deshalb, das wissen immerhin noch die meisten, weil Gottes Sohn in dieser Welt Wohnung nimmt. In einer heiligen Familie, die ob ihrer Lebensbedingungen heute jedes Jugendamt auf den Plan rufen würde. Die Heimat des göttlichen Kindes ist ein Armenhaus. Die zugige Ungastlichkeit. Die Existenz eines Flüchtlings vom ersten Atemzug an.

 

Gott kommt – an die Zäune der Welt

 

Weihnachten kommt Gott in die Häuser und an die Zäune der Welt. Er kommt an die Grenzen des Menschlichen. Immer dorthin, wo Menschen ihrerseits auf der Flucht sind und auf der Suche nach Gerechtigkeit und Frieden. Dorthin auch, wo er oder sie ganz persönlich an der Grenze ist. In solch existentiellen Situationen liegt doch die Frage obenauf, was wirklich trägt. Was das Eigentliche im Leben ist. Und wir kommen auf Antworten und sagen: die Liebe. Die Nähe eines anderen. Anerkennung.

 

Wir Theologen sagen dazu: An der Grenze beginnt Erkenntnis. Zuerst die Erkenntnis, dass wir nur Gast auf Erden sind. Mit einem jenseitigen Zuhause. Und da frage ich: Ist das nicht unerhört tröstlich, wenn wir sagen können, dass das Sterben nicht nur ein Gehen ist, sondern auch ein Heimkommen? Die zweite Erkenntnis: Als Gast auf Erden, das gehört im diesseitigen Hier und Jetzt unbedingt dazu, gibt es den christlichen Anspruch auf Menschenwürde. Und das heißt: wie ein Gast behandelt zu werden, also als jemand, der geborgen sein darf, unbedroht, lebensfroh.

 

Willkommen Heimat

 

Und ich glaube, ganz vorsichtig, in diesem Jahr sind wir alle verändert, nach einem wunderbaren Kirchentag, nach einem African Summer auf St. Pauli, nach den so nah gekommenen Flüchtlingsnöten an so vielen anderen Orten. Es ist so gut zu sehen, dass es ein zivilgesellschaftliches, manchmal auch stilles Engagement für die Vielfalt in dieser Stadt gibt. Denn diese Vielfalt ist es, die sie besonders macht. Das nehme ich wahr und bin dankbar für alle, die sagen: Welcome, bienvenue, willkommen in meiner Heimatstadt.

 

Ich denke dabei auch an den, der von sich gesagt hat: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ An den, auf dessen Ankunft wir uns im Advent vorbereiten, für den wir singen „Wie soll ich dich empfangen“ und „Macht hoch die Tür“. Welcome, bienvenue, willkommen - mit deinem Frieden - in meiner Heimatstadt.

 

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit.

 

Ihre Bischöfin Kirsten Fehrs