Sie verbringen zum Beispiel drei Tage in vollkommener Dunkelheit. Zumindest habe ich von einer solch verrückten Aktion gehört. Drei Tage zusammen in einem großen, finsteren Raum. Ausschließlich im Dunkeln wird miteinander gearbeitet, verhandelt und gesprochen. Nach anfänglichen Stressgefühl, die Überraschung: zu spüren, wie sich der Körper umstellt. Die übrigen Sinne übernehmen das Kommando. Das Fühlen und Riechen wird intensiver. Besonders der Gehörsinn wird geschärft.
Im Dunklen, so der Erfinder dieser ungewöhnlichen Weiterbildung, finden Menschen zu besseren Problemlösungen. Wissenschaftler haben herausgefunden, woran das liegt: Die übliche Hackordnung ist außer Kraft gesetzt! Äußerliches Imponiergehabe funktioniert nicht mehr. Und: Wer nicht wirklich etwas zu sagen hat, findet kein Publikum. Schüchterne Menschen hingegen tauen im Dunkeln auf. Plötzlich melden auch die sich vermehrt zu Wort und finden in der Gruppe Gehör, deren Beiträge sonst immer eher übertönt werden.
Hinhören, genau hin spüren.
Darum geht es auch im Advent. Erlauschen, erspüren, was sich uns manches Mal erst in der Dunkelheit zu erkennen gibt. So wie es in einem Adventslied heißt: Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt!“
Gott kommt zu den Menschen. Sein Kommen wirft ein anderes Licht in unser Leben. Die alten Adventslieder singen von diesem Geheimnis. Schlüssel drehen sich im Schloss. Mächtige Tore schwingen auf. Die Klänge adventlicher Musik begleitet Jesu Kommen.
Um das nicht zu verpassen, gilt es alte Gewohnheiten abzulegen und die Dunkelheit nicht zu fürchten. Der Versuch ist es wert.
Augen schließen, still werden. Lauschen, was dann zu hören ist, und sagen, was dann zu sagen ist.
Eine gesegnete Adventszeit,
Astrid Kleist
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Astrid Kleist ist Hauptpastorin an St. Jacobi und Pröpstin des Kirchenkreises Hamburg-Ost. Anfang Juni 2013 wurde sie in dieses Amt eingeführt. Vorher war sie Pastorin in der Hamburger Kirchengemeinde St. Simeon Alt-Osdorf.