Porträt Abendmahl mit Mördern und Gewaltverbrechern in Ochsenzoll

Alltag eines Pastors, der viele Jahre lang die evangelische Krankenhausseelsorge in der Asklepios Klinik Nord in Hamburg Ochsenzoll geprägt hat. Auch Gespräche mit psychisch erkrankten Straftätern gehörten zu seinen Aufgaben. Zum Anfang des Jahres wechselt der 51-Jährige ans Unfallkrankenhaus nach Boberg.

 

Bitten um Gespräche

„In die Psychiatrie wollte ich nie“, erinnert sich Schoberth. Dass er doch dort landete, kam der Liebe wegen, die ihn nach Hamburg zog. Der Theologe gab seine Stelle am Klinikum Neubrandenburg auf und bezog ein unwirtliches Zimmer in der inzwischen gesperrten Kirche in Ochsenzoll. Dort war er aber nur selten. „Ich besuchte die Patienten auf den Stationen. Hörte mir ihre Ängste und Zweifel an.“ Wenn er heute über das Gelände geht, kommen Patienten auf ihn zu und bitten um ein Gespräch.

 

Rund 1.000 Patienten werden in Ochsenzoll behandelt. Sie leiden unter Psychosen oder einer Altersdepression, sind suchtkrank oder suizidgefährdet. Oder sie haben aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Straftat begangen: 300 Menschen werden derzeit im „Maßregelvollzug“ therapiert. Auch sie besucht Schoberth auf ihren Zimmern. Zur Sicherheit hat er einen „Pieper“ bei sich, für Notrufe. Doch eingesetzen brauchte er ihn noch nie.

 

Ärger mitteilen statt heilig lächeln

Wie begegnet er Patienten, die gemordet und vergewaltigt haben? Häufig wisse er nicht, wer welche Tat begangen habe, sagt Schobert. Und falls doch, versuche er die liebenswerten Facetten zu sehen und zu stärken, die jeder Mensch in sich trage. „Und wenn ich mich ärgere, sage ich das. Gefühle zu äußern bringt mehr, als heilig zu lächeln.“

 

Er selbst lässt die Arbeit beim Gesangsunterricht hinter sich oder beim Strandspaziergang an der Ostsee. Wenn er im Januar ins Unfallkrankenhaus Boberg wechselt, arbeitet er im größten Querschnittsgelähmten-Zentrum Deutschlands, mit Patienten, die sich kaum noch bewegen können. „Ich möchte herausfinden, wie man Seelsorge körperlich erfahrbar machen kann“, hat sich Christian Schobert vorgenommen. Doch anfangen will er wie in Ochsenzoll: „Mich einfach zu den Menschen setzen und zuhören.“