Vor 60 Jahren - Gründung unserer Kirchengemeinde im Umfeld der Kapelle Tonndorf 1947-1954

Text zum 60-jährigen Jubiläum der Kirchengemeinde Tonndorf (2010)

FRANK VOLLERS UND WOLFGANG RÖSLER

In den Jahren ab 1943 verzeichnete der Stadtteil Tonndorf einen starken Bevölkerungszuwachs: Gründe waren vor allem die vielen Notunterkünfte und die nun für ständiges Wohnen eingerichteten Garten- und Wochenendhäuschen für Menschen aus den durch Luftangriffe stark zerstörten Stadtteilen. Im östlichen Pfarrbezirk der Kreuzkirche (Tonndorf und Teile Hinschenfeldes) stieg die Bevölkerungszahl auf über 22.000 Personen an. Dieser Bereich wurde von 1933 bis 1948 (Hinschenfelde noch bis 1952) von Pastor Dr. Wilhem Jensen betreut.

Nach Ende des Krieges wurde unter einfachsten Verhältnissen etwa einmal im Monat ein Gottesdienst in der Turnhalle der Schule Tonndorf gefeiert. Die große Bevölkerungszahl erforderte aber für den Bereich Tonndorf eine eigene Pfarrstelle: am 1. Juli 1948 wurde Fritz Dorau aus Berlin erster Pastor für den Bereich Tonndorf (5. Pfarrstelle der Kreuzkirche Wandsbek). Die Amtseinführung erfolgte im Januar 1950 durch Propst Hansen-Petersen, die Gründung der selbständigen Kirchengemeinde Tonndorf  wurde urkundlich besiegelt am 5. September 1950  - vor 60 Jahren.

Da die Tonndorfer Kirche erst im Herbst 1954 fertiggestellt wurde und die bisher genutzte Turnhalle und einige Klassenzimmer für ein Gemeindeleben unzureichend waren, fiel der Blick auf die Kapelle des Tonndorfer Friedhofes.

Der Tonndorfer Friedhof wurde 1880 anfänglich für die Wandsbeker Bevölkerung angelegt (Tonndorf gehörte kirchlich bis 1928 zu Alt-Rahlstedt) und hatte zunächst eine kleine, im neogotischen Stil aus Backstein erbaute Kapelle, unmittelbar an der Straße gelegen. Später befand sich dort ein Steinmetzbetrieb, heute ist das Gelände Teil eines Gewerbebetriebes.
1914 wurde die neue, größere und mit Nebenräumen versehene Kapelle gebaut: ebenfalls aus Backstein, aber deutlich sachlicher in der architektonischen Formsprache.

Von 1913 bis 1960 verkehrte von Wandsbek kommend über Eichtalpark (damals Moltkeplatz) eine Straßenbahn zum Tonndorfer Friedhof, zunächst eingleisig bis unmittelbar vor das Gelände, später mit einer Kehre im Bereich (Damm-)Wiesenstraße wenige hundert Meter vorher endend. Zum Vergleich: die Bahnstation Wandsbek-Ost (heute Tonndorf) wurde erst 1935 eröffnet.

Kapelle und Verwalterhaus erlitten im Krieg erhebliche Schäden: die Kapelle konnte zum Erntedanksonntag 1948 wieder voll genutzt werden, das Verwalterhaus wurde 1951 wieder aufgebaut.

In den Nebenräumen der Kapelle entstand in den Jahren 1947/48 ein erstes Gemeindeleben: hier trafen sich der Mütter- und Frauenkreis. Namen wie Bothmann, Fiege, Potent, Reichenberg, Reikischke, Rechlin, Schleupner, Stahmer, Steuerwald, Wöpp sowie Martens (Küsterehepaar) seien hier stellvertretend genannt.

Im Verwalterhaus wohnten ab 1951 das Verwalter-Ehepaar Fuhrmann und in der Dachwohnung Ehepaar Dorau: Pastor Dorau hatte 1950 in der Tonndorfer Kapelle geheiratet.

In der Kapelle und ihren Nebenräumen fanden nun zusätzlich zu den Trauerfeiern alle Veranstaltungen statt, die zu einem Gemeindeleben gehören: Gottesdienst mit 140 bis 180 Besuchern, Kindergottesdienst, Andacht, Trauung, Taufe, Konfirmation, Krippenspiel, Basar, Gruppen und Kreise. Fritz Dorau berichtet von einem Krippenspiel mit Konfirmanden im Advent 1948, zu dem in drei Gottesdiensten über 800 Besucher kamen. Erster Täufling in der Kapelle war übrigens im Januar 1949 Ursula Steuerwald.

Musikalisch wurden die Veranstaltungen in der Kapelle am Harmonium durch Volker Ebers begleitet. Volker Ebers war später (1982 - 2000) Landeskirchenmusikdirektor in der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Mit der Fertigstellung der Kirche 1954 endete die Gründungsphase der Kirchengemeinde Tonndorf und die umfangreiche Nutzung der Friedhofskapelle. Die Kirche nach Plänen des Architekten Richard Starck wurde am 3. Oktober 1954 eingeweiht.

Bereits fünf Jahre später sollte sich die beginnende Gründung einer Kirchengemeinde in der Tonndorfer Kapelle wiederholen: Ab 1959 hielt dort Pastor Friedrich Schade (Nachfolger von Wilhelm Jensen seit 1952) Gottesdienste für die Gemeindeglieder des östlichen Pfarrbezirks in Hinschenfelde. Dies wurde zur Keimzelle für die 1965/66 gegründete Emmausgemeinde.

Der Eingangsbereich des Tonndorfer Friedhofes erfuhr durch den Ausbau der Stein-Hardenberg-Straße in den Jahren 1960 - 1962 eine durchgreifende Veränderung, die sich optisch vor allem durch den Verlust der alten Tor- und Zaunanlage äußert. Das alte Verwalterhaus wurde 1988 durch einen Neubau ersetzt. Aber auch Traditionen werden gepflegt: schon 1948 bei der Wiedereröffnung der Kapelle befand sich wie heute auf der Rasenfläche vor der Kapelle ein kreuzförmiges Blumenbeet.

Von den einst zahlreichen Steinmetzbetrieben, Gastwirtschaften und Cafés (Niquet, Petermann, Sannmann, Sonneneck) im Umfeld des Tonndorfer Friedhofes ist nur ein Steinmetzbetrieb übrig geblieben.

Die Ende 2000 renovierte Kapelle wird heute neben Trauerfeiern wieder verstärkt für Veranstaltungen der Kirchengemeinde Tonndorf genutzt: Andachten zu Allerheiligen und Ewigkeitssonntag, bei den Wandsewanderwegkonzerten sowie im Rahmen des Konfirmandenunterrichts und dem „Tag der Offenen Tür“.