Angedacht
...this little light of mine...
Plötzlich habe ich einen Gospel auf den Lippen
Aus dem Gemeindebrief 04/2015
Der November ist noch ungewöhnlich warm, aber die Dunkelheit nimmt sich schon mehr und mehr vom Tag. Die Schöpfung will in eine ruhigere Zeit gehen. Ich stelle Kerzen auf. Plötzlich habe ich einen Gospel auf den Lippen: „This little light of mine – I gonna let it shine...“ In Deutschland sind in den letzten Monaten mit einer guten Willkommenskultur eine Menge Lichter angegangen. Menschen haben mit angefasst, um zu helfen. Ich glaube, viele haben dabei das Gefühl gehabt, gut geben zu können, was gebraucht wird. So wie es eben normal ist: Wenn man ein Licht hat, scheint es auch. Unser Land so licht zu sehen, ist für mich eine große Freude. Vielleicht sehen manche Engel heutzutage ja aus, wie Menschen in reflektierenden Leuchtwesten. So wie z.B. die freiwilligen BeraterInnen am Hauptbahnhof.
In der Weihnachtsgeschichte sagt ein Engel: „Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige Euch große Freude!“ Meistens zündet man ein Licht an, weil es dunkel ist. Dunkelheit schürt Furcht. Das Flüchtlingsthema bringt uns schwere Geschichten und schwierige politische Themen. Erlebnisse der Menschen, die kommen, erinnern manche von uns an Geschichten von Krieg und Flucht, mit denen auch viele deutsche Familien zu tun gehabt haben. „Fürchtet Euch nicht!“, sagt der Engel in der Weihnachtsgeschichte, der auf das Licht hinweist. Die Krippe, in der Gott sich zeigt, war vermutlich zunächst kein heller Ort. Und weil man Gott erst mal finden muss, wenn er an so abgelegenen Orten unterwegs ist, gibt es eine Menge Lichthinweise: Sterne. Engel. Und plötzlich, erzählt die Weihnachtsgeschichte, jede Menge weitere Lichter. Eltern, Hirten und Weise lassen ihr Licht für das Gotteskind scheinen. Aus Jesus leuchtet das Gotteslicht der Liebe, macht die Welt hell.
Wenn ich am frühen Abend die St. Andreaskirche betrete, sieht man die Hand vor Augen nicht – außer am Gebetslichterbaum brennt eine Kerze. Eine einzige der kleinen Kerzen reicht, damit man sich im Dunkel orientieren kann. Ein kleines Licht und solche Wirkung! Es weckt immer wieder mein Erstaunen. In der Bergpredigt ganz am Anfang erinnert Jesus die Menschen an ihre Kraft zum lichten Tun. Man soll sein Licht leuchten lassen und nicht unter den Scheffel stellen. Als Kind habe ich das als Versuch nachgebaut: Ich habe ein durchsichtiges Gefäß über eine Kerze gestellt. Fasziniert habe ich dann zugesehen, dass der Flamme wirklich das Licht ausgeht. This little light of mine – I gonna let it shine: Unser Licht leuchten lassen. So, dass der Liebe nicht die Luft ausgeht. „Du sollst...“ heißt es in der Bergpredigt. Ja, denke ich, für mich ist es ein „must have...“: Ich möchte es in meinem Leben haben. Aber nicht im Sinne eines Befehls.
Es „licht“ zu haben, Licht zu entzünden, das kommt meinem Bedürfnis nach Wärme und gelingendem Leben und klarer Orientierung entgegen. Die Mystiker erinnern daran, dass wir Gott auch in uns wahrnehmen können. Licht, das in unserer Seele ist, ungeschaffen und unerschafflich, wie Meister Eckard sagt. Wir können es ansehen, betrachten. Gott in uns und in anderen wirken sehen, strahlen. „Verrückt nach Licht“ hat Dorothee Sölle mal ein Buch mit Gedichten und Gebeten überschrieben. Mein Licht scheinen lassen, denke ich: Das wird sicherlich auch Spaß machen – und ich denke, es wird warm und gemütlich werden.
Eine gesegente Advents und Weihnachtszeit!
Ihre Pastorin Frauke Niejahr