Angedacht

Gehören wir dazu?

Aus dem Gemeindebrief 02/2016

Der Islam gehöre nicht zu Deutschland, beschloss die Partei AfD. Sie stemmte sich damit gegen einen Satz, den Christian Wulf bekannt gemacht hat, und der viel Gutes bewirkt hat.

Wir hingegen, das Christentum, gehörten zu den Quellen und Bestandteilen der deutschen Kulturnation. Die Kirche gehöre ins Dorf, das Christentum zu Deutschland.

Danke, aber: Wir gehören nicht zu Deutschland, wir gehören zur weltweiten Christenheit, und unseren Glauben macht es gerade aus, dass er Völker und Nationen übergreift: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“, schreibt der Apostel Paulus im Galterbrief 3,28.

Das bedeutet: Der christliche Glaube prägt zwar immer und überall, wo er gelebt wird, auch die Sprache, die Bilder, die Geschichten, die man sich erzählt, und die Art, wie man denkt und wie man feiert, also die Kultur. Immer und überall wurde und wird das kirchliche Leben auch seinerseits gestaltet, geprägt und gedeutet von der Kultur, die sonst so da ist. Man muss die Bibel übersetzen in die Sprache, in der in einer Region gelehrt, gequatscht, geflucht und gedichtet wird. Man muss Kirchen bauen mit dem Material, das eben da ist, Holz, Marmor oder Backstein. Und was als anständig galt, haben auch die frühen Christen aus der bürgerlichen Stadtgesellschaft der römisch und hellenistisch geprägten Mittelmeerwelt übernommen.

Das alles sind für den christlichen Glauben immer Einkleidungen und Nebensachen (dies gilt selbst für so epochale Kulturgüter wie Martin Luthers Bibelübersetzung). Wir fühlen uns auch als Christen in diesen gewohnten kulturellen Gegebenheiten wohl. Doch auch wenn wir damit einen Beitrag zu einer ja immer vorübergehenden Kultur leisten: Unser Glaube und unser kirchliches Leben ist nie dazu da, das Leben einer Gruppe, eines Volkes oder auch eines Kontinents im Unterschied zu anderen zu prägen und erkennbar zu machen. Diese Grenzen sollen wir gerade überschreiten und sollen verbinden. In diesem Sinn gehören wir weltweit immer zu Christus und nicht zu Deutschland oder einem anderen Land.

Das ist übrigens auch ein Grund, warum wir gut daran tun, gelegentlich einfach Gutes mitzumachen: z. B. den HSH-Nordbank-Run in der Hafencity für „Kinder helfen Kindern“. Man könnte ja fragen, ob wir da als Kirche auch ausreichend und im Unterschied zu anderen kenntlich seien. Das müssen wir gar nicht. Gutes ist gut, ob es aus dem Glauben heraus oder aus ganz anderen Gründen geschieht. Wir verlieren auch nichts, wenn wir dabei wie alle Welt Spaß haben. Kirche werden wir aus der Beziehung zu Christus und nicht durch irgendeine erkennbare Unterscheidung von anderen.

Die Kirche ist über die Jahrtausende zu Recht in ihrer Gestalt flexibel und beweglich, und deshalb auch nie dazu da, irgendeiner Kultur oder Nation die Identität zu stützen.

Ihr Pastor Dr. Kord Schoeler